MS-Medikamente

PML-Risiko unter Tysabri APOTHEKE ADHOC, 14.03.2016 11:16 Uhr

Berlin - 

Patienten, die mit Tysabri (Natalizumab) behandelt werden, müssen zukünftig engmaschiger überwacht werden. Darauf macht Hersteller Biogen Idec jetzt mittels Rote-Hand-Brief aufmerksam. Durch die neuen Maßnahmen soll die Früherkennung von Progressiver Multifokaler Leukenzephalopathie (PML) unter Therapie mit dem MS-Medikament besser werden.

PML ist eine seltene und schwere Hirninfektion, die durch das John-Cunningham-Virus (JC-Virus) verursacht wird. Das Virus ist in der Gesamtbevölkerung weit verbreitet, führt aber nur zu PML, wenn das Immunsystem geschwächt ist. Neue Daten hatten bestätigt, dass hohe Antikörperkonzentrationen im Blut das PML-Risiko erhöhen und dass Patienten unter Tysabri besonders häufig betroffen sind. PML ist wie Multiple Sklerose (MS) eine demyelinisierende Erkrankung und manifestiert sich mit ähnlichen Symptomen.

Die Maßnahmen basieren auf Empfehlungen der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA), die eine Risikoüberprüfung des MS-Medikamentes durchgeführt hatte. Besonders betroffen von der schweren Nebenwirkung seien Patienten, die Tysabri ohne Vorbehandlung mit Immunsuppressiva erhielten, so die EMA. Insbesondere nach einer zweijährigen Therapie sei das Risiko erhöht. Bei einem niedrigen Antikörperspiegel sei das Risiko dagegen geringer als bisher angenommen.

Personen mit einem Antikörper-Index über 1,5 sollen die Behandlung mit Tysabri zukünftig nur fortsetzen, wenn durch den Arzt ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis bescheinigt wurde. Dafür wurde eine Übersicht zur Abschätzung des Risikos erstellt, die Ärzte unterstützend zur Hand nehmen können. Der Hersteller weist darauf hin, Patienten mit hohem PML-Risiko alle sechs Monate einer Antikörpertestung zu unterziehen, sofern die Patienten bereits länger als zwei Jahre mit Tysabri behandelt wurden. Bei Patienten mit negativem Ergebnis soll der Test alle sechs Monate wiederholt werden. Wenn der Verdacht einer PML auftritt, muss die Behandlung mit Tysabri gestoppt werden, bis die PML ausgeschlossen werden kann.

Nach Angaben von Biogen ist die Früherkennung und frühzeitige Behandlung der PML sehr wichtig, um das Ausmaß der Hirnschädigung und damit einhergehende Einschränkungen möglichst gering zu halten. Asymptomatische PML-Fälle können im Kernspintomogramm diagnostiziert werden. Für Patienten mit erhöhten Risiko für eine PML sollen daher alle drei bis sechs Monate Kernspintomografie-Untersuchungen ohne Kontrastmittel durchgeführt werden.

Biogen bereitet zusätzlich umfangreiches Schulungsmaterial vor. Gleichzeitig werden Ärzte und Apotheker aufgefordert, Patienten intensiv über die Risiken im Zusammenhang mit Tysabri aufzuklären. Auch nach Absetzen der Therapie bestehe weiterhin das Risiko einer PML, so der Hersteller. Bis zu sechs Monate nach Therapieende sollen Patienten und Pflegepersonal auf auftretende Symptome achten.

Tysabri wurde erstmals 2006 in Europa zugelassen. Das Präparat dient zur Therapie besonders aggressiver Formen der schubförmig verlaufenden Multiplen Sklerose (MS). Auch bei anderen MS-Medikamenten sind ähnliche Fälle aufgetreten. So hatte 2015 Novartis über einen Fall von PML unter Behandlung mit Gylenia (Fingolimod) berichtet.