Nerventra

Teva: Rückschlag für MS-Tablette

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Berlin -

Das MS-Mittel Nerventra (Laquinimod) bleibt das Sorgenkind im Portfolio von Teva. Gleich in zwei klinischen Studien musste eine Gruppe die Behandlung abbrechen. Acht Patienten hatten unter Dosierungen von mehr als 1,2 mg schwere kardiovaskuläre Nebenwirkungen gezeigt. Dennoch will Teva die Studien – mit niedrigeren Dosen – fortführen.

Nerventra ist ein MS-Medikament mit neuem Wirkmechanismus, das bei Patienten mit schubförmig remittierender Multipler Sklerose (RRMS) eingesetzt werden soll. Wie das Präparat im Detail wirkt, ist nicht bekannt; vermutet werden immunmodulatorische Effekte. In Studien wurden entzündungshemmende und neuroprotektive Eigenschaften nachgewiesen. Häufigste Nebenwirkungen sind Kopf-, Bauch- und Rückenschmerzen, Blinddarmentzündung sowie Veränderungen der Blut- und Leberwerte.

Bereits 2014 musste der israelische Generikakonzern einen schweren Rückschlag bei der Entwicklung seines MS-Mittels hinnehmen. Nach dem Patentablauf für Copaxone sollte Nerventra auf den Markt kommen. Doch die europäische Arzneimittelagentur EMA lehnt die Zulassung ab.

Schon vor zwei Jahren waren die Nebenwirkungen das Hauptproblem für das negative Votum: In Versuchen mit Ratten waren karzinogene und teratogene Effekte beobachtet worden, die laut Teva aber in den klinischen Studien mit Untersuchungszeiträumen von bis zu sieben Jahren nicht auftraten. Die EMA sah die Bedenken dagegen nicht ausgeräumt, zumal beide Effekte erst mit Zeitverzögerung nachweisbar seien.

Auch an der klinischen Wirksamkeit der einmal täglich einzunehmenden Kapseln hatten die Prüfer Zweifel: Zwar werde die Progression der Erkrankung verzögert; der Effekt auf die Schübe sei aber gering. Teva sah den Nutzen bei Patienten mit RRMS nach zwei großen Studien mit rund 2500 Probanden als belegt an.

Teva und der Entwicklungspartner Active Biotech hatten eine Prüfung des Votums bei der EMA beantragt. Außerdem sollten die Ergebnisse weiterer Studien, bei denen zwei Dosierungen (0,6 und 1,2 mg) verglichen wurden, weitere Bedenken ausräumen. Doch anstelle guter Nachrichten gab es neue Probleme: Die Studienleiter stoppten die Gabe der höheren Dosierung, nachdem bei mehreren Patienten Myokardischämien aufgetreten waren.

In der niedrigen Dosierung wurden keine entsprechenden Nebenwirkungen festgestellt, die Studien laufen daher mit den verbliebenen Patienten vorerst weiter, so der Konzern. Für diese wird nun ein gesondertes Monitoring durchgeführt, um mögliche Nebenwirkungen frühzeitig zu erkennen.

Teva verliert damit weiter Zeit bei der Auf- und Ausbau seiner Specialty-Sparte. Der Generikakonzern hatte seine Originalpräparate, darunter die ehemaligen Cephalon-Präparate Effentora (Fentanyl), Vigil (Modafinil) und Azilect (Rasagilin), sowie das DetailAWD-Schmerzmittel Katadolon S long (Flupirtin) in das neu gegründete Unternehmen Teva Specialty Medicines mit Sitz in Berlin eingebracht. Laut Deutschlandchef Dr. Markus Leyck Dieken wird die Teva-Originalsparte Ende kommenden Jahres zwei neue Produkte eingeführt haben.

Zumindest für das Gesamtgeschäft muss Teva keine großen Umsatzeinbußen befürchten. Das Europäische Patentamt (EPA) hatte im Dezember überraschend den Patentschutz für das MS-Mittel Copaxone (Glatirameracetat) in der neuen Dosierung à 40 mg/ml bestätigt. Sofern der Generikakonzern die Ärzte überzeugen kann, ihre Patienten auf die neue Variante umzustellen, ist der Blockbuster in zweiter Generation bis 2030 vor generischer Konkurrenz geschützt. Zeit genug, um sich den Problemen um Nerventra im Detail anzunehmen.

Im Mai 2014 war zunächst in den USA das Patent für Copaxone abgelaufen. Das von Teva selbst entwickelte MS-Medikament war 1996 auf den Markt gekommen und ist bis heute der wichtigste Umsatzbringer des Generikakonzerns: Mit 4,2 Milliarden US-Dollar machte das Original im vergangenen Jahr 21 Prozent der weltweiten Erlöse aus; in den USA liegt der Anteil sogar bei 29 Prozent. Auf der Ertragsseite spielt das Produkt für den Konzern eine noch bedeutendere Rolle.

Konkurrenzprodukte zu Copaxone sind Interferone wie Avonex, Rebif, Betaferon und Extavia sowie weitere Immunmodulatoren wie Tecfidera (Dimethylfumarat), Tysabri (Natalizumab), Aubagio (Teriflunomid) sowie der Sphingosin-1P-Agonisten Gilenya (Fingolimod). Gilenya und Aubagio sind derzeit die einzigen oralen MS-Therapien; Merck nimmt gerade einen neuen Anlauf für seine MS-Tablette Movectro (Cladribin). Nachdem der Darmstädter Konzern 2011 eine Abfuhr von FDA und EMA erhalten hatte, sollen nun neue Daten die Zulassungsbehörden in den USA und Europa überzeugen.

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