MS-Medikamente

Tiefschlag für Teva

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Berlin -

Voraussichtlich im Juni läuft in den USA das Patent für Copaxone (Glatirameractetat) des Generikakonzerns Teva ab, auch in Europa läuft die Frist. Gewissermaßen als Ersatz sollte in diesem Jahr Nerventra (Laquinimod) auf den Markt kommen. Doch die europäische Arzneimittelagentur EMA lehnt die Zulassung ab – weil Risiken, die im Tierversuch beobachtet wurden, in den klinischen Studien nicht widerlegt werden konnten.

Mit Erlösen von 3,7 Milliarden US-Dollar beziehungsweise 18 Prozent Anteil am gesamten Konzernumsatz ist Copaxone das wichtigste Präparat von Teva. In Israel rechnet man alleine für das zweite Halbjahr mit Einbußen von einer halben Milliarde Dollar, noch größer sind die Verluste auf der Ertragsseite. Gleichzeitig begründete das erste hauseigene Originalpräparat bislang den Anspruch des Konzerns, mehr als einer reiner Generikaanbieter zu sein.

Umso bitterer ist das negative Votum zu Nerventra. Teva verliert wichtige Zeit bei der Auf- und Ausbau seiner Specialty-Sparte – und den Anschluss im Bereich der MS-Therapie: Die beiden bereits zugelassenen oralen MS-Medikamente Aubagio (Teriflunomid, Sanofi) und Gilenya (Fingolimod, Novartis) können ihren Vorsprung weiter ausbauen.

Wenn Nerventra irgendwann doch noch kommt, dürfte es der Teva-Außendienst deutlich schwerer haben: Ärzte lassen sich leichter von einem Nachfolgeprodukt überzeugen, wenn der Übergang reibungslos vonstatten geht. Stattdessen muss sich Teva künftig an mehreren Fronten gegen die Konkurrenz durchsetzen: Zu den oralen MS-Medikamenten kommen als Behandlungsoptionen Tysabri (Natalizumab, Biogen Idec), verschiedene Interferon-Präparate und eben künftig Copaxone-Generika.

Nerventra ist ein MS-Medikament mit neuem Wirkmechanismus, das bei Patienten mit schubförmig remittierender Multipler Sklerose (RRMS) eingesetzt werden soll. Wie das Präparat im Detail wirkt, ist nicht bekannt, vermutet werden immunmodulatorische Effekte. In Studien wurden entzündungshemmende und neuroprotektive Eigenschaften nachgewiesen. Häufigste Nebenwirkungen sind Kopf-, Bauch- und Rückenschmerzen, Blinddarmentzündung sowie Veränderungen der Blut- und Leberwerte.

Die klinische Wirksamkeit der einmal täglich einzunehmenden Kapseln gilt laut Teva nach zwei großen Studien mit rund 2500 Probanden als belegt. Dagegen haben die EMA-Gutachter Zweifel: Zwar werde die Progression der Erkrankung verzögert; der Effekt auf die Schübe sei aber gering.

Das Hauptproblem sind aber die möglichen Nebenwirkungen: In Versuchen mit Ratten waren karzinogene und teratogene Effekte beobachtet worden, die laut Teva aber in den klinischen Studien mit Untersuchungszeiträumen von bis zu sieben Jahren nicht auftraten. Die EMA sieht die Bedenken dagegen nicht ausgeräumt, zumal beide Effekte erst mit Zeitverzögerung nachweisbar seien.

Teva und der Entwicklungspartner Active Biotech wollen nun eine Prüfung des Votums bei der EMA beantragen. Außerdem hoffen sie auf die Ergebnisse einer dritten Studien, bei der zwei Dosierungen (0,6 und 1,2 mg) verglichen werden. Parallel wird der Einsatz von Laquinimod zur Behandlung von Morbus Crohn untersucht.

Für Teva könnte es in diesem Jahr bei einer Neueinführung jenseits des Generikageschäfts bleiben: Im Vorfeld des Patentablaufs von Symbicort (Budesonid/Formoterol, AstraZeneca) soll unter der Marke Duo Resp eine generische Variante mit innovativem Inhalationssystem (Spiromax) auf den Markt kommen.

Der Generikakonzern hatte seine Originalpräparate, darunter die ehemaligen Cephalon-Präparate Effentora (Fentanyl), Vigil (Modafinil) und Azilect (Rasagilin) sowie das AWD-Schmerzmittel Katadolon S long (Flupirtin) in das neu gegründete Unternehmen Teva Specialty Medicines mit Sitz in Berlin eingebracht.

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