Frühe Therapie sinnvoll

MS: Jede Lebensphase eine Herausforderung

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Berlin -

Die Multiple Sklerose (MS) ist nach der Epilepsie die zweithäufigste neurologische Erkrankung junger Erwachsener. Oft wird das Leiden als „Krankheit mit tausend Gesichtern“ bezeichnet. Jede Lebensphase birgt für die Patienten neue Herausforderungen. Wichtig ist der frühzeitige Therapiebeginn.

Allein in Deutschland leben eine Viertelmillion Menschen mit der aktuell noch unheilbaren Krankheit Multiple Sklerose. Rund zwei Drittel der Patienten, die MS haben, spüren erste Symptome zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr. Es kommt jedoch auch vor, dass Diagnosen in früheren Lebensjahren gestellt werden. So kann MS bereits im Kindes- und Jugendalter auftreten.

Krankheitsverläufe bei Kindern zeichnen sich meist durch eine insgesamt höhere entzündliche Aktivität aus. Doch Kinder erholen sich besser und schneller, ihre Regenerationsfähigkeit ist meist besser als bei erwachsenen Patienten. Trotz guter Medikation und engmaschiger Betreuung erreichen Patienten, die in frühen Lebensjahren erkranken, bislang immer noch rund zehn Jahre früher einen vergleichbaren Behinderungsgrad, wie MS-Patienten die erst zwischen dem 20. Und 40. Lebensjahr erkranken. Mediziner gehen davon aus, dass vor allem die Pubertät eine große Rolle bei der Ausprägung der Symptome spielt. In dieser Zeit unterliegt der Körper einer großen hormonellen Umstellung. Krankheiten wie eine Optikusneuritis, also eine Entzündung des Sehnervs, die zum unklaren Sehen führt, treten meist erst nach der Pubertät im frühen Erwachsenenalter auf.

Der frühzeitige Einsatz von spezifischen MS-Therapien sei bereits im Kindesalter wichtig. Der Verlauf kann durch eine konsequente Medikation verbessert werden. Prof. Dr. med. Peter Huppke, Universitätsmedizin Göttingen, betont, dass der Einsatz von vor allem neuen MS-Medikamenten die Prognose der pädiatrischen MS entscheidend verbessert. Die aktuellen Therapieleitlinien für die pädiatrische MS stellen eine gute Handlungsanweisung für Ärzte dar und sollten eingehalten werden.

Vorhersagen zu Verlauf, Beschwerdebild und Therapieerfolg der Multiplen Sklerose sind von Patient zu Patient stark unterschiedlich. Allgemeingültige Aussagen können kaum gegeben werden. So sind etwa die Hälfte aller Patienten nach 15 Jahren nach Erkrankungsbeginn noch gehfähig. Weniger als 10 Prozent der Erkrankten sterben an direkten Folgen der Erkrankung oder eventuell auftretenden Komplikationen. Eine generelle Symptomatik liegt nicht vor. Sie sind davon abhängig, welche Region des zentralen Nervensystems von der Entzündung betroffen ist. Auch die Stärke der Entzündung spielt eine wichtige Rolle. Patienten profitieren dauerhaft von einer möglichst frühzeitigen Behandlung. Eventuelle Spätfolgen der Krankheit können so durchaus minimiert werden.

Ein Großteil der MS-Betroffenen ist weiblich. Bei vielen Patientinnen steht bei dem Thema Familienplanung zunächst vor allem ein großes Fragezeichen: „Kann ich schwanger werden? Kann ich weiterhin die Medikamente nehmen? Bekommt mein Kind auch MS? Kann ich Stillen?“ Das sind Beispiele für die häufigsten Fragen, die sich junge MS-Patientinnen mit Kinderwunsch stellen. Wichtig zu wissen: Hormonelle Veränderungen im Rahmen einer Schwangerschaft haben Einfluss auf die Krankheitsaktivität. Die Medikation muss dementsprechend angepasst werden. Mediziner empfehlen, die Schwangerschaft zu planen. Frauen sollten mindestens zwei Jahre lang bereits gut eingestellt sein. „Es ist wichtig, dass wir aktiv mit den Patientinnen über ihren Kinderwunsch sprechen und Therapieentscheidungen vorausschauend treffen“, erklärte Dr. med. Birte Elias-Hamp, niedergelassene Neurologin aus Hamburg. Bisher gibt es keine Hinweise darauf, dass MS-Patientinnen ein erhöhtes Fehlbildungsrisiko haben. Schwanger werden ist generell möglich.

Wichtig sei jedoch die Auswahl der richtigen Arzneimittel. Die Datenlage zu zahlreichen Wirkstoffen, für eine Anwendung in der Schwangerschaft, ist dünn. Einige Vertreter können jedoch über den gesamten Zeitraum weiterhin angewendet werden. So liegen beispielsweise für den Immunmodulator Glatirameracetat (Copaxone, Teva) bisher keine Anzeichen für Sicherheitsprobleme beim Einsatz während der Schwangerschaft vor. Für die Einschätzung des Risikos wurden Registerdaten analysiert. Der Einsatz von Immunmodulatoren in der Schwangerschaft sollte stets nach individueller Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen.

Auch im Alter kommt es zu neuen Herausforderungen. Der Stoffwechsel verändert sich, die Krankheit ist meist schon weiter fortgeschritten. „Bei älteren MS-Patienten sollten die altersbedingten Veränderungen des Immunsystems berücksichtigt werden“, erklärt Professor Dr. med. Peter Flachenecker, Facharzt für Neurologie aus Bad Wildbad. Im fortschreitenden Krankheitsverlauf der MS verringert sich zwar die entzündliche Komponente, gleichzeitig nimmt aber auch die Wirksamkeit der Immuntherapie mit zunehmendem Alter ab. Ältere Patienten erleiden meist weniger Schübe, als Jüngere. Auch andere chronische Erkrankungen, die im Laufe des Lebensdazu gekommen sind, müssen bei der Immunmodulatoren berücksichtigt werden. Ein Teil der MS-Therapien sind im Alter mit höheren Risiken verbunden.

Die multiple Sklerose ist eine autoimmune, chronisch-entzündliche neurologische Erkrankung mit unterschiedlichen Verlaufsformen. Entgegen der landläufigen Meinung führt die Erkrankung nicht zwangsläufig zu schweren Behinderungen – ein Leben im Rollstuhl ist nicht zwangsläufig die Konsequenz einer langjährigen Erkrankung. Auch, wenn es bei der Erkrankung zu Schädigung der Markscheiden kommt, so können Patienten durch die aktuell zugelassenen Medikamente lange Zeit mobil und unabhängig bleiben.

Zur Behandlung der Multiplen Sklerose stehen zahlreiche Wirkstoffe zu Verfügung. Die Auswahl eines geeigneten Medikamentes hängt von den betroffenen ZNS-Arealen beim Patienten ab. Je nachdem, wie die Symptomatik und der Allgemeinzustand des Patienten ist können folgene Wirkstoffe für eine Therapie infrage kommen: Interferon-beta-Präparate, Glatirameracetat, Teriflunomid, Dimetyhlfumarat, Azathioprin, Immunglobuline, Natalizumab, Fingolimod, Alemtuzumab, Daclizumab, Cladribin, Mitoxantron und Cyclophosphamid.

 

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