Erst vor einigen Tagen hatte ein Beratergremium der US-Arzneimittelbehörde FDA die Notfallzulassung für Molnupiravir des US-Pharmakonzerns Merck im Rahmen der Covid-19-Therapie empfohlen. Doch die Entscheidung fiel aufgrund verschiedener Sicherheitsbedenken knapp aus. Wenige Tage zuvor hatte der Hersteller die Effektivität des Mittels nach unten korrigiert.
Offenbar stundenlang wurde über die Empfehlung der Notfallzulassung diskutiert. Mit 13 zu 10 Stimmen fiel die Entscheidung knapp aus. Das Abstimmungsergebnis ist für die FDA nicht bindend, meist folgt die Behörde aber der Einschätzung der Berater:innen. Eine Notfallzulassung der FDA könnte innerhalb weniger Tage folgen. Molnupiravir wäre das erste orale Medikament zur Behandlung von Covid-19.
Doch das Mittel muss bereits einen herben Rückschlag verzeichnen: Merck hatte die Effektivität von Molnupiravir wenige Tage zuvor nach unten korrigiert. Im Oktober hatte der Hersteller den Zulassungsantrag gestellt. Basis dafür war eine Zwischenauswertung der Move-Out-Studie mit 775 Patient:innen gewesen: Molnupiravir hatte das Risiko auf eine Hospitalisierung oder Tod von 14,1 Prozent auf 7,3 Prozent gesenkt – und damit fast halbiert. Der absolute adjustierte Unterschied von 6,8 Prozent-Punkten war hoch signifikant.
Doch mittlerweile liegen größere Datensätze vor. Insgesamt wurden die Ergebnisse von mehr als 1400 Teilnehmer:innen ausgewertet. Die Häufigkeit von Hospitalisierungen und Todesfällen ist im ist im Molnupiravirarm mit 6,8 Prozent etwa gleichgeblieben. In der Placebogruppe kam es allerdings nur noch bei 9,7 Prozent der Patientinnen zu den beiden Ereignissen. Damit ist der Unterschied zwischen Verum und Placebo gesunken. Umgerechnet bleibt der Vorteil jedoch weiterhin signifikant.
Das Gremium äußerte zudem Bedenken in Bezug auf die Sicherheit des Mittels: In Tierversuchen hatte sich gezeigt, dass die Knochenbildung beeinträchtigt sein kann. Ein Einsatz im Wachstumsalter ist daher nicht zu empfehlen. Die FDA legte die Grenze bei 18 Jahren fest. Doch auch bei Schwangeren ist die Anwendung aufgrund der fetotoxischen Wirkung problematisch: Ein Einsatz wäre hochriskant, da es möglicherweise zu Fehlbildungen beim Kind kommen könnte. Es müsste also eine ausgiebige Nutzen-Risiko-Abwägung stattfinden.
Eine weitere Sorge ist die Mutagenität von Molnupiravir: Durch den Wirkmechanismus ergeben sich Kopierfehler, welche zur Entstehung von neuen Virusvarianten beitragen könnten. Durch die Mutagenität könnte theoretisch auch das Krebsrisiko steigen. Allerdings hält die FDA das Risiko aufgrund der kurzen Behandlungsdauer für gering.
Im Oktober hatte der Wirkstoff bereits einen Rückschlag erlitten: Aufgrund einer fehlenden signifikanten Wirksamkeit erwogen zwei Hersteller aus Indien das vorzeitige Ende laufender Untersuchungen. In der letzten Phase der Studien zeigte sich, dass der Wirkstoffkandidat bei mittelschwerem Covid-19 keine signifikante Wirksamkeit aufweist. Davon unberührt blieben die Untersuchungen zum Einsatz von Molnupiravir bei milden Verläufen – hier wurden die Studien fortgeführt. Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) hatte sich im November für eine Zulassung ausgesprochen, die endgültige Entscheidung steht jedoch noch aus. Auch die britische Arzneimittelbehöre MHRA hat bereits ihre Zustimmung gegeben.
Molnupiravir soll unter dem Handelsnamen Lagevrio auf den Markt kommen. Wie das Handelsblatt aktuell mitteilt, hat nun auch das Bundesgesundheitsministerium einen Liefervertrag mit dem US-Pharmaunternehmen Merck & Co. abgeschlossen: In den kommenden Monaten soll Deutschland 80.000 Einheiten des Medikaments erhalten. Erste Lieferungen sind für Dezember geplant.
Schon im Sommer geriet Molnupiravir in den Fokus der Suche nach einem wirksamen Covid-Medikament. Der eigentlich gegen Influenza entwickelte Wirkstoff zeigte sich zunächst im Tierversuch als wirksam. Später konnten auch die Zwischenergebnisse der klinischen Phase-II/III-Studie überzeugen. Bei Molnupiravir handelt es sich um ein Prodrug des synthetischen Nukleosidderivates N4-Hydroxycytidin. Erst der aktive Metabolit kann in die virale RNA eingebaut werden, um einen Kopierfehler zu erzeugen und die Polymerasen und damit die Replikation zu stören.
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