Calcium: Nutzen überschätzt Dr. Kerstin Neumann, 29.02.2016 11:22 Uhr
Die Empfehlungen zu einer sinnvollen Calcium-Aufnahme variieren stark: Für ältere Menschen wird von Endokrinologen eine Aufnahme von etwa 1000 mg pro Tag empfohlen. Zwei Metaanalysen einer Neuseeländischen Forschergruppe kommen jetzt zu dem Ergebnis, dass der Mineralstoff offenbar weder die Knochendichte erhöht noch einen Einfluss auf das Risiko für Frakturen hat. Es gibt sogar Hinweise auf schädliche Wirkungen: Bei den Patienten tauchten mehr Nierensteine auf. Eine Supplementierung sollte daher bei älteren Menschen nur bei klarem Calciumbedarf unternommen werden, raten die Forscher.
Das Forscherteam der Universität Auckland hatte in einer systematischen Literaturrecherche den Einfluss von Calcium auf die Knochendichte bei Erwachsenen im Alter über 50 Jahre untersucht. Die Wissenschaftler wollten anhand der verfügbaren Daten herausfinden, wie stark die Zufuhr über die Nahrung und Supplemente tatsächlich ist.
Insgesamt analysierten die Forscher Daten aus 59 klinischen Studien mit über 12.000 Teilnehmern, in denen die Knochendichte unter erhöhter Zufuhr von Calcium gemessen wurde. Das Ergebnis: Die Knochendichte nahm – unabhängig von der Art der Einnahme – in den ersten ein bis zwei Jahren nur geringfügig zu. Auch besonders hohe Dosen oder die zusätzliche Einnahme von Vitamin D änderte nichts am nur geringen Knochenaufbau. Eine Senkung der Rate von Knochenbrüchen sei von derartigen kleinen Effekten nicht zu erwarten, schreiben die Experten aus Neuseeland.
Die Wissenschaftler wollten daraufhin einen genaueren Einblick in die Zusammenhänge zwischen erhöhter Calciumaufnahme und Knochenbrüchen erhalten. Dazu analysierten sie Studiendaten, in denen das Auftreten von Frakturen bei gleichzeitiger Calciumeinnahme untersucht worden waren. 42 Kohortenstudien bildeten die Basis der Metastudie. Auch hier zeigte sich, dass der Einfluss von Calcium geringer war als angenommen: Bei mehr als 75 Prozent der Studien konnten die Wissenschaftler keinen Zusammenhang zwischen der Calciumaufnahme der Studienteilnehmer und einer besseren Knochenstabilität finden – Frakturen traten bei allen Patienten in ähnlicher Größenordnung auf. In vier klinischen Studien höchster Qualität wurde gar kein Hinweis darauf gefunden, dass Calcium die Knochenbruchrate senken kann.
Lediglich eine Ausnahme stellten die Forscher fest: In einer Studie mit Altenheim-Bewohnern hohen Alters verringerte sich das Frakturrisiko signifikant: Oberschenkelhalsfrakturen traten zu 23 Prozent seltener auf als bei Senioren, die keine Supplemente erhalten hatten. Allerdings habe bei den Patienten bereits eine chronische Unterversorgung bestanden: Eine Calciumzufuhr von nur 500 mg pro Tag sei der Standard gewesen, schreiben die Forscher. Ebenso habe ein signifikanter Vitamin D-Mangel bestanden, was zusätzlich die Gefahr für Knochenbrüche deutlich erhöht.
Die Autoren der Metastudien schlussfolgern daher, dass eine gesteigerte Calciumzufuhr über die Nahrung bei Patienten mittleren Alters Knochenbrüche nicht verhindern kann. Für Supplemente sei die Datenlage derzeit inkonsistent, mehr als geringfügige Effekte seien jedoch nicht zu erwarten, so die neuseeländischen Wissenschaftler.
Sicher sei jedoch, dass Calcium-Supplemente ab einer Tagesdosis von 1000 mg Risiken bergen. In den untersuchten Studien zeigten sich verstärkt kardiovaskuläre Ereignisse und Nierensteine. Diese Nebenwirkungen tauchten dabei häufiger auf als die gewünschten Effekte. Von einer ungezielten Supplementierung bei älteren Patienten raten die Autoren der Metastudien daher klar ab.