Mikrobiom als Risikofaktor für Herzinfarkt Deniz Cicek-Görkem, 13.12.2018 12:05 Uhr
Aus einer früheren Studie ist bekannt, dass von Darmmikrobiota abhängige Metaboliten Herzkreislauf-Krankheiten wie Arteriosklerose und Thrombose fördern. Wissenschaftler der Berliner Charité und des Berliner Instituts für Gesundheitsforschung (BIH) haben nun gemeinsam mit US-Kollegen gezeigt, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein der Stoffwechselprodukte im Darm und dem Risiko von kardiovaskulären Ereignissen bei Patienten gibt, die zuvor einen ersten ischämischen Schlaganfall (Hirninfarkt) erlitten haben. Die Studienergebnisse wurden im Fachjournal „Arteriosclerosis, Thrombosis, and Vascular Biology“ veröffentlicht.
Darmbakterien unterstützen das Verdauungssystem, indem sie Nahrungsbestandteile in kleinere Teile aufspalten und Nährstoffe transportieren. Sie sind daher unerlässlich für eine intakte Darmflora. In Fleisch und Eiern kommen zum Beispiel quartäre Ammoniumverbindungen wie Cholin und Carnitin vor. Mithilfe von Darmbakterien werden diese Stoffe in Trimethylamin (TMA) metabolisiert und im nächsten Schritt in der Leber mit Hilfe der Flavin enthaltenden Monooxygenase 3 (FMO3) enzymatisch zu Trimethylamin-N-oxid (TMAO) umgewandelt.
Bakterielle Abbauprodukte können aber auch schädigend sein: Die Oxid-Verbindung fördert in bestimmten Immunzellen die Aufnahme von Cholesterol, was wiederum zur Plaquebildung führt. Somit ist unter anderem die Grundlage für eine Arteriosklerose geschaffen. Es ist auch bekannt, dass Patienten mit einer Herzschwäche signifikant weniger unterschiedliche Bakterien im Darm haben als Gesunde. Zukünftig könnten spezifische Therapien möglicherweise die Bildung des Trimethylamins durch die Darmbakterien blockieren und somit das Risiko kardiovaskulärer Erkrankungen senken.
Wissenschaftler der Berliner Charité und des Berliner Instituts für Gesundheitsforschung (BIH) haben nun gemeinsam mit US-Kollegen herausgefunden, dass bestimmte bakterielle Stoffwechselprodukte aus dem Darm das Risiko erhöhen, einen Herzinfarkt beziehungsweise Schlaganfall zu erleiden. Dies galt insbesondere für Patienten, die bereits einen Schlaganfall erlitten hatten. Die Wissenschaftler zeigten das in zwei Studien mit insgesamt mehr als 600 Patienten. Die Forscher wollten herausfinden, ob es einen Zusammenhang zwischen Darmmikrobiom und einem erhöhten Risiko für einen Herzinfarkt gibt.
Bei ihren Experimenten haben sie dabei insbesondere die Konzentration von TMAO gemessen und mit dem Risiko verglichen, einen Herzinfarkt beziehungsweise Schlaganfall zu erleiden. „Wir haben herausgefunden, dass Patienten mit einer hohen TMAO-Konzentration im Blut ein doppelt bis fünffach so hohes Risiko für einen Herzinfarkt beziehungsweise Schlaganfall hatten wie Patienten mit einer niedrigen Konzentration des Metaboliten“, sagt Professor Dr. Ulf Landmesser, Direktor der Klinik für Kardiologie am Campus Benjamin Franklin der Charité und ärztlicher Leiter des CharitéCentrum für Herz-, Kreislauf- und Gefäßmedizin an der Berliner Charité.
Den Ergebnissen zufolge regt das Aminoxid offenbar die Endothelzellen dazu an, Faktoren zu bilden, die die Blutgerinnung und Gefäß-Entzündung begünstigen. Das wiederum würden proinflammatorische Monozyten locken, die ihrerseits in den Blutgefäßwänden die Atherosklerose und Thrombose fördern. An Labortieren haben die Wissenschaftler weiterhin gezeigt, dass eine Supplementation mit Cholin, dem TMA-haltigen Vorläufer von TMAO, die Konzentration proinflammatorischer Monozyten erhöht. „Unsere Daten stützen die Annahme, dass eine TMAO-bedingte Zunahme proinflammatorischer Monozyten zu einem erhöhten kardiovaskulären Risiko von Patienten mit erhöhten TMAO-Spiegeln beitragen kann“, schreiben die Studienautoren.
Die Berliner Mediziner haben deshalb ein internationales transatlantisches Forschungsnetzwerk gegründet, um nach Substanzen zu suchen, die die Bildung der schädlichen Metaboliten in den Bakterien hemmen können. „Herkömmliche Medikamente, die die Blutgerinnung hemmen, verringern zwar das Herzinfarktrisiko, erhöhen aber gleichzeitig auch das Blutungsrisiko“, erklärt Landmesser. „Das Interessante an diesem neuen Ansatz ist, dass man durch die Beeinflussung der Bakterien das Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko senken könnte, ohne dass man gleichzeitig das Blutungsrisiko erhöht. Also möglicherweise eine besonders elegante Methode, das Ziel zu erreichen.“ Professor Landmesser plant, die gewonnenen Erkenntnisse bereits in den nächsten drei Jahren in einer klinischen Studie an Patienten zu testen.