Wirkstofftransport mit Magnesiummotor Nadine Tröbitscher, 10.03.2017 13:53 Uhr
Magensäure ist für eine Reihe von Wirkstoffen eine Herausforderung. Besonders problematisch ist es, wenn säureempfindliche Arzneimittel im Magen wirksam sein sollen. US-Forscher veröffentlichten in der Fachzeitschrift „Angewandte Chemie“ ihre Erfindung: Winzige Mikro-U-Boote sollen die Wirkstoffe an ihren Zielort transportieren.
Dr. Joseph Wang, Leiter des Nanoengineering Department und Direktor des Center of Wearable Sensors an der University of California in San Diego, entwickelte kleine Mikro-U-Boote, die die Magensäure binnen kurzer Zeit auf einen Ziel-pH-Wert neutralisieren und die empfindlichen Wirkstoffe freisetzen. Zum Einsatz könnte die neue Technologie bei Medikamenten kommen, die im Magen wirksam sein sollen – wie zum Beispiel zur Behandlung von Magengeschwüren oder Infektionen mit dem Bakterium Helicobacter pylori. Dann könnte auf den Einsatz von Protonenpumpenhemmern verzichtet werden, unerwünschte Arzneimittelwirkungen würden reduziert, so die Forscher.
Herzstück des Transporters ist ein Magnesiummotor – die Magensäure dient als Treibstoff. Etwa 20 µm kleine Kügelchen werden von eine Nanolage Gold ummantelt und dann von einem pH-sensiblen Polymer umgeben. In diese Schicht ist der Arzneistoff eingebettet. Während des Beschichtungsprozesses liegt der Magnesiumkern auf einer Glasplatte auf – und hat somit eine unbeschichtete Stelle.
Gelangt das U-Boot in den Magen und kommt mit den Protonen der Säure in Kontakt, findet eine elektrochemischen Reaktion statt. Magnesiumionen und Wasserstoff entstehen. Letzterer wird in Form von Bläschen freigesetzt und erzeugt einen Rückstoß, der für den Antrieb sorgt. Durch die Bewegung des Komplexes wird die Magensäure binnen 20 Minuten neutralisiert. Durch den Antrieb können die Transporter besser in die Magenschleimhaut eindringen und so den Wirkstoff länger an seinem Wirkort zurückhalten. Ist im Magen ein neutraler pH-Wert erreicht, setzt die Polymerschicht den Wirkstoff frei.
Eine Schädigung des Magens ist nicht zu erwarten, denn der Magen-pH stellt sich innerhalb 24 Stunden wieder auf ein Normalniveau ein. Studien an Mäusen konnten belegen, dass die U-Boote biokompatibel und sicher sind. Dies ist wichtig, denn Magensäure schützt vor Keimen und dient der Verdauung.
Für Wirkstoffe, die im Dünndarm resorbiert werden, eignen sind andere galenische Verarbeitungen. So werden magensaftresistente Überzüge verwendet, um den Arzneistoff sicher durch den sauren Magen zu bringen.
Im Dezember war es US-Forschern vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) gelungen, eine ultralangwirksame Formulierung zu entwickeln. Das Produkt hat die Größe und Form einer Kapsel, um leicht geschluckt werden zu können. Große Mengen an Wirkstoff werden auf einem Sterngerüst geladen, das nach Auslösung der Kapselhülle aufklappt und den Arzneistoff kontrolliert über einen Zeitraum von Wochen oder Monaten freisetzen kann. Der Magen-Darm-Trakt wird von dem Produkt nicht geschädigt, obwohl es dort lange verweilt. Die Ergebnisse wurde im Fachjournal „Science Translational Medicine“ veröffentlicht.