Studien zeigen, dass etwa jede zweite Frau kurz vor oder während der Periode unter migräneartigen Kopfschmerzen leidet. Deutsche Forscher:innen wollen nun die Ursache für diesen Zusammenhang herausgefunden haben. Dies könnte neue Behandlungsansätze eröffnen.
In der Fachteitschrift „Neurology“ haben Wissenschaftler:innen der Charité Universitätsmedizin Berlin die Ergebnisse zu der Frage veröffentlicht, warum Frauen besonders häufig kurz vor oder während der Monatsblutung von Migräneattacken heimgesucht werden. Der Botenstoff CGRP sei für den Zusammenhang verantwortlich, so das Forscherteam. Das Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP) ist ein aus 37 Aminosäuren bestehendes Neuropeptid und in vielen Organen an Stoffwechselprozessen beteiligt. Große Mengen finden sich beispielsweise im Darm. Darüber hinaus spielt das Molekül in den Blutgefäßen eine wichtige Rolle. Einige Expert:innen vermuten, dass es vor Durchblutungsstörungen und Bluthochdruck schützen kann.
Dass es signifikante Zusammenhänge zwischen Menstruation, Migräne und Hormonschwankungen gibt, ist hinlänglich bekannt. Die Prozesse waren jedoch bislang unklar. Eine Migräne tritt bei Frauen etwa dreimal so häufig auf wie bei Männern. Das Risiko für Migräneattacken steigt, wenn die Periode kurz bevorsteht, und ist auch während der Menstruation deutlich erhöht. Während der Schwangerschaft sowie nach den Wechseljahren sinkt hingegen die Wahrscheinlichkeit für eine Migräne.
„Aus dem Tiermodell haben wir Hinweise, dass Schwankungen von weiblichen Hormonen – insbesondere von Östrogen – zu einer verstärkten Freisetzung des Entzündungsbotenstoffs CGRP im Gehirn führen“, erläutert Studienleiterin Dr. Bianca Raffaelli. Die körpereigene Substanz werde bei Migräne vermehrt ausgeschüttet und erweitere die Blutgefäße im Gehirn stark, so die Wissenschaftlerin. Dadurch enstehe Entzündungsreaktion, die einer der Gründe für die starken Kopfschmerzen sein könnte. Auch die Erweiterung der Gefäße stehe im Zusammenhang mit einer Migräne.
Die Wissenschaftler:innen überprüften im Rahmen der Studie, ob der bei Tieren entdeckte Zusammenhang zwischen weiblichen Hormonen und der Ausschüttung von CGRP auch für den Menschen gilt. Migräne-Patientinnen wurden im Verlauf des Monatszyklus zweimal auf den CGRP-Spiegel getestet. Dabei Die erfolgte die erste Messung während der Monatsblutung und die zweite innerhalb des Eisprungs. Belegt werden konnte, dass die Konzentration an CGRP während der Menstruation bei den Migräne-Patientinnen wesentlich höher war als bei den Teilnehmerinnen ohne Migräne.
„Wenn also der Östrogenspiegel zur Einleitung der Periode sinkt, schütten die Migränepatientinnen vermehrt CGRP aus“, so Raffaelli. Dies könne begründen, warum betroffene Frauen kurz vor und während der Monatsblutung häufiger an Migräneattacken leiden.
Frauen, die die Pille einnahmen, hatten einen konstanteren Östrogenspiegel mit weniger CGRP-Schwankungen. Ähnlich war es bei Frauen nach den Wechseljahren. „Auch wenn diese Daten noch durch größere Studien bestätigt werden müssen: Sie deuten darauf hin, dass beim Menschen die Freisetzung von CGRP abhängig vom hormonellen Zustand ist, schlussfolgert Raffaelli.
Dies sei aber nicht der einzige Mechanismus, über den Migräne ausgelöst wird. Auch Frauen sowie Männer ohne Hormonschwankungen können Migräne bekommen. Der Botenstoff CGRP sei nicht der einzige, der Migräne auslösen könne, so die Wissenschaftlerin. Neue Medikamente, die genau in diesen Prozess eingreifen, sind sogenannte CGRP-Inhibitoren. Diese binden direkt an CGRP und neutralisieren das Peptid oder blockieren den zugehörigen Rezeptor. Dadurch kann eine Vasodilatation unterbunden und ein Migräneanfall verhindert werden.
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