Laut zwei neuer Studien hat Metformin keine direkten negativen Auswirkungen auf das ungeborene Kind; weder während der Spermatogenese bei Männern noch im ersten Trimenon bei Frauen. Damit widersprechen sie der aktuellen Leitlinienempfehlungen. Die Studienergebnisse wurden jüngst in der Fachzeitschrift Annals of Internal Medicine veröffentlicht.
Laut der aktuellen Leitlinien ist die Studienlage zu Metformin sowohl in der Schwangerschaft als auch bei Männern während der Spermienbildung, bei vorliegender Typ-2-Diabetes, unzureichend. Dem entgegen stehen nun die Ergebnisse zweier Studien, denen zufolge keine direkten negativen Auswirkungen auf das ungeborene Kind bei einer Einnahme von Metformin – egal ob bei Vater oder Mutter – entstehen. Beide Untersuchungen fanden an der Harvard T. H. Chan School of Public Health in Boston, Massachusetts, statt.
In der Väter-Studie untersuchten die Forschenden die Anwendung von Metformin während der Spermienentwicklungsphase vor der Empfängnis nebst des Risikos für schwere angeborene Fehlbildungen bei Neugeborenen. Denn: Obwohl Metformin als sicher gilt, hat es antiandrogene und epigenetisch modifizierende Effekte. Dies führe zu Bedenken über mögliche negative Auswirkungen auf die Entwicklung durch genomische Veränderungen bei väterlicher Einnahme von Metformin vor der Empfängnis. Die Untersuchung umfasste 383.851 Kinder.
Das Ergebnis: Im Vergleich zu Vätern, die kein Metformin während der Spermienbildung einnahmen, hatten die Väter, die es verwendeten, viel häufiger Herz-Kreislauf- und Stoffwechselprobleme. Dies läge aber nicht einer Monotherapie mit Metformin zu Grunde. Der Zusammenhang bestehe zwischen Metformin und einer Polytherapie und könne möglicherweise durch ein schlechteres kardiometabolisches Risikoprofil der Eltern erklärt werden.
In einer weiteren Studie untersuchten Forschende, welche Auswirkugen eine Metformineinnahme bei Frauen während der Schwangerschaft hat. An der Studie nahmen 2407 Frauen teil. Dabei erhielten 850 Frauen eine Insulin-Monotherapie, während sich 1557 Frauen einer Kombinationstherapie aus Insulin und Metformin unterzogen.
Die Studie führte zu dem Ergebnis, dass im Vergleich zur Umstellung auf eine Insulin-Monotherapie die Gabe von Metformin und die Zugabe von Insulin in der Frühschwangerschaft bei Frauen, die vor der Schwangerschaft Metformin erhielten, zu einem kaum oder gar keinem erhöhten Risiko für eine Nichtlebendgeburt führt. Nach konventionellen statistischen Kriterien war alles zwischen einem Rückgang des Risikos für angeborene Fehlbildungen um 49 Prozent und einem Anstieg um 9 Prozent in hohem Maße mit unseren Daten vereinbar.
Das Risiko für eine Totgeburt bei Kindern von Frauen, die in der Schwangerschaft mit Metformin und Insulin behandelt wurden, war mit rund 34 Prozent folglich kaum größer war als bei Frauen, die nur Insulin erhalten hatten (rund 33 Prozent). Auch das Risiko für Fehlbildungen bei lebend geborenen Kindern unterschied sich zwischen den beiden Gruppen kaum: 5,7 Prozent bei der Metformin-Insulin-Gruppe, rund 8 Prozent bei der Insulin-Gruppe.
In der aktuellen S2e-Leitlinie aus dem Jahr 2021 wird von der Einnahme von Metformin in der Schwangerschaft abgeraten. Bei Bekanntwerden der Schwangerschaft solle demnach auf eine Insulintherapie umgestellt werden. Denn: Metformin ist plazentagängig, mögliche Langzeitfolgen bei den Nachkommen sind unzureichend dokumentiert. Insgesamt, so die Leitlinie, ist die Datenlage zum Einsatz von oralen Antidiabetika während der Schwangerschaft bei Typ-2-Diabetes spärlich.
Metformin ist bereits seit Jahren im Kontext Schwangerschaft umstritten. Im Vergleich zu vorangegangenen Studien fehlen in den neuerlichen Studien aus Harvard die langfristigen Auswirkungen des Metformin-Einsatzes in der Schwangerschaft bei Müttern mit Diabetes auf ihre Nachkommen. Insofern sind weitere Studien notwendig, um die aktuellen Leitlinienempfehlungen in's Wanken zu bringen.
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