Ergänzender Therapieansatz

Metformin bei HIV? Katharina Brand, 16.10.2024 15:24 Uhr

Klassiker in der Typ-2-Diabetes-Therapie: Die aktuelle Studie legt nahe, dass Metformin die Replikation von HIV in CD4-T-Lymphozyten hemmt, die als Virusreservoir fungieren. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Metformin als Therapieergänzung bei HIV? Eine aktuelle kanadische Studie zeigt, dass der Wirkstoff die antiretrovirale Therapie (ART) unterstützen kann, indem er die Virusvermehrung in Immunzellen verringert und Entzündungen reduziert. Die Studienergebnisse wurden kürzlich im interdisziplinären Fachjournal „iScience online“ veröffentlicht.

Die Forschenden um Immunologin Petronela Ancuta vom CRCHUM (Centre de recherche du CHUM, das Forschungszentrum des Centre hospitalier de l'Université de Montréal) fanden heraus, dass Metformin die Replikation des HIV-Virus in CD4-T-Lymphozyten, auch Helfer-T-Zellen genannt, hemmt. Diese dienen als Reservoir für das Virus. Denn: Sie aktivieren und regulieren andere Immunzellen, indem sie Zytokine produzieren. Das CD4-Protein auf ihrer Oberfläche ermöglicht es ihnen, sich an antigenpräsentierende Zellen zu binden und die Immunantwort zu koordinieren. CD4-T-Zellen sind deshalb besonders wichtig bei der Bekämpfung von Virusinfektionen wie HIV.

Bereits im Jahr 2021 führten Wissenschaftler:innen unter der Leitung der Immunologin Petronela Ancuta in Montréal eine Untersuchung zu Metformin im Zusammenhang mit HIV durch. Die Ergebnisse zeigen, dass die dreimonatige Einnahme des Wirkstoffs die Immunität der Patienten verbessert und die chronische Entzündung verringert, die häufig mit Komplikationen wie Herzkrankheiten einhergeht.

Studiendesign

Ancuta und Team haben in ihrer aktuellen Forschung untersucht, wie Metformin die HIV-Replikation in Helfer-T-Zellen beeinflusst. Dabei verwendeten sie CD4 T-Lymphozyten von HIV-infizierten Personen, die mit antiretroviralen Therapien behandelt wurden. Sie analysierten, wie Metformin die Virusvermehrung und die Immunantwort der Zellen verbessert und testeten, wie gut verschiedene neutralisierende Anti-HIV-Antikörper die viralen Reservoirzellen erkennen konnten.

Die Ergebnisse zeigen, dass Metformin die Produktion des HIV-Proteins p24 in T-Zellen erhöht und die Aktivierung von Immunmechanismen fördert, die das Virus bekämpfen.; p24 ist eines der ersten Antigene, die nach einer HIV-Infektion im Blut nachweisbar sind. Insbesondere steigert Metformin die Bildung von Proteinen, die die Virusfreisetzung hemmen und das Überleben der Zellen unterstützen. Diese Erkenntnisse legen nahe, wie Metformin in Kombination mit ART eingesetzt werden kann, um die Behandlungseffektivität zu steigern und die Bekämpfung von HIV-Reservoirzellen zu verbessern.

Ergebnisse

Die In-vitro-Tests an HIV-positiven Zellen zeigten unerwartete Ergebnisse. Ancuta erklärt: „Wir entdeckten, dass Metformin sowohl einen proviralen als auch einen antiviralen Effekt hatte. Das Medikament half, die Anzahl der HIV-infizierten Zellen zu erhöhen, während es gleichzeitig das Entkommen des Virus aus der Zelle verhinderte.“ Metformin hemmt die Virusfreisetzung, indem es das mTOR-Molekül inhibiert und die Überexpression des BST2-Proteins fördert. Während das mTOR-Molekül ein Protein ist , das Zellwachstum, Teilung, Stoffwechsel und Proteinsynthese steuert, handelt es sich bei BST2 um ein klebstoffartiges Protein, das Viren an der Zelloberfläche festhält, wodurch das Immunsystem sie leichter erkennen und mit Antikörpern bekämpfen kann.

Die Studie belegt auch, dass neutralisierende Antikörper, die auf mit Metformin behandelte Zellen wirken, das Virus effektiv erkennen und infizierte Zellen zerstören können. Zukünftige Therapien könnten eine Kombination von Metformin mit zugelassenen Antikörpern umfassen, schätzt das Forschungsteam: „Bei HIV-Infizierten, die mit einer antiretroviralen Therapie behandelt werden, könnten wir Metformin einsetzen, um nach einer Unterbrechung der Behandlung die für die Virusreplikation verantwortlichen Reservoirzellen wieder zu aktivieren, in Kombination mit Antikörpern, die bereits klinisch eingesetzt und gut verträglich sind. Diese Antikörper können dann die seltenen infizierten Zellen erkennen und eliminieren“, erläutert Ancuta.

Limitationen und Ausblick

Einige Parameter ihrer Studie geben die Wissenschaftler:innen für zukünftige Untersuchungen zu bedenken. So sollten beispielsweise die HIV-Transkription in T-Zellen, die in Virusreservoirs angereichert sind, sowie die Auswirkungen von Metformin auf die Rekrutierung von Transkriptionsfaktoren genauer analysiert werden. Darüber hinaus seien mikroskopische Untersuchungen erforderlich, um zu klären, ob Virionen – die vollständig entwickelten, infektiösen Viruspartikel außerhalb der Wirtszelle – im Zytoplasma oder an der Zellmembran zu finden sind. Darüber hinaus basiert die Studie hauptsächlich auf Zellen kaukasischer männlicher Teilnehmer mit HIV. Unterschiede in Geschlecht, Ethnie und HIV-Clade könnten jedoch die Wirkung von Metformin beeinflussen, schließen die Forschenden.

In der nächsten Phase ihrer Forschung plant Ancuta die Durchführung einer klinischen Studie zur Validierung ihrer In-vitro-Forschungsergebnisse in Zusammenarbeit mit weiteren Kolleg:innen. Bevor sie mit dieser Strategie fortfahren kann, wird sie sie in präklinischen Modellen testen.