Metastudie

Große Menschen haben öfter Krebs Dr. Kerstin Neumann, 05.03.2016 08:58 Uhr

Berlin - 

Große Menschen haben ein erniedrigtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Typ-2-Diabetes. Das zeigt eine Studie des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) und der Harvard School of Public Health. Allerdings steigt mit der Körpergröße auch das Risiko für Krebs. Schuld daran sind wahrscheinlich tierische Eiweiße.

Die Körpergröße ist weitgehend genetisch festgelegt, dennoch sind seit Jahrzehnten Kinder im Erwachsenenalter fast immer deutlich größer sind als ihre Eltern. Das Phänomen ist weltweit zu beobachten; die größten Unterschiede findet man in den Niederlanden: Dort sind Männer mittlerweile 20 cm größer, als sie es vor 150 Jahren waren. Interessanterweise ist in den Niederlanden auch der Pro-Kopf-Konsum von Milch und Milchprodukten weltweit am höchsten.

Diese Beobachtungen nahmen die Wissenschaftler des DZD um Professor Dr. Norbert Stefan sowie Professor Dr. Frank Hu von der Harvard University zum Anlass, die Ursachen und medizinischen Auswirkungen dieser Zunahme im Größenwachstum genauer zu untersuchen. Die Auswertung zeigt, dass die Körpergröße offenbar tatsächlich einen wichtigen Einfluss auf die Sterblichkeitsrate im Zusammenhang mit bestimmten Volkskrankheiten hat. Dieser Einfluss ist unabhängig von Körperfettmasse und anderen modulierenden Faktoren.

Die Autoren gehen davon aus, dass die über die Jahrzehnte zunehmende Körpergröße durch ein Überangebot von kalorienreicher Ernährung mit viel tierischem Eiweiß hervorgerufen wird. Durch den erhöhten Anteil an Milch und Milchprodukten in der Nahrung könnte in schnellen Wachstumsphasen, beispielsweise bereits im Mutterleib, bereits eine dauerhafte Veranlagung für ein stärkeres Wachstum entwickelt werden.

Große Menschen wiederum bilden die Wachstumsfaktoren IGF-1 und IGF-2 in größerer Menge als kleinere Personen. Das führt unter anderem dazu, dass der Körper empfindlicher auf Insulin reagiert. Damit wird der Fettstoffwechsel günstig beeinflusst. Die Insulinsensitivität und der geringere Fettgehalt der Leber wiederum könnten das niedrigere Risiko für Diabetes und kardiovaskuläre Erkrankungen erklären, so die Wissenschaftler.

Die Aktivierung des IGF-Systems und anderer Signalwege könnte allerdings auch zu einem erhöhten Risiko für bestimmte Krebsarten führen, vermuten die Autoren. Vor allem bei Brustkrebs, Dickdarmkrebs und schwarzem Hautkrebs werde das Zellwachstum dauerhaft gefördert. Insgesamt sinkt pro 6,5 cm Körpergröße das Risiko für kardiovaskuläre Sterblichkeit um 6 Prozent. Im Gegensatz dazu steigt die Krebsmortalität um 4 Prozent.

Die Wissenschaftler plädieren daher dafür, den Faktor Körpergröße mehr als bislang bei der Prävention der genannten Volkskrankheiten einzubeziehen. Ärzte sollten besonders dafür sensibilisiert werden, dass große Menschen zwar seltener mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Typ-2-Diabetes auffallen, dafür aber ein erhöhtes Risiko für Krebskrankheiten haben. Schließlich kommt der Ernährung, vor allem in der Schwangerschaft und im Kindes- und Jugendalter, eine bislang unterschätzte Bedeutung zu.