Nächster Rückschlag für PUMA-Zulassungen: Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) sieht für das Kinderarzneimittel Slenyto (Melatonin, Infectopharm) keinen Zusatznutzen. Erst im November hatte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) dem pädiatrischen Präparat Alkindi (Hydrocortison, Diurnal) keinen Zusatznutzen bescheinigt.
PUMA steht für Pediatric Use Marketing Authorisation und wird für Arzneimittel erteilt, die bereits eine Zulassung für die Anwendung bei Erwachsenen haben und für die eine weitere Zulassung ausschließlich für Behandlung von Kindern beantragt wird. Slenyto ist zugelassen für die Behandlung von Schlafstörungen bei Kindern im Alter von zwei bis 18 Jahren mit Autismus-Spektrum-Störungen oder Smith-Magenis-Syndrom, wenn Schlafhygienemaßnahmen keine ausreichende Linderung verschaffen. Die retardierte Melatonin-Minitablette ist geschmacks- und geruchsneutral.
Der G-BA hatte das IQWiG mit der Nutzenbewertung des Kinderarzneimittels beauftragt. Als zweckmäßige Vergleichstherapie wurde Best Supportive Care (BSC) festgelegt. Hierbei handelt sich laut Definition um eine bestmögliche, patientenindividuell optimierte, unterstützende Behandlung, die zur Linderung der Symptome und zur Verbesserung der Lebensqualität eingesetzt wird. Im Falle von Slenyto wären laut Nutzenbewertung fortführende psychotherapeutische Maßnahmen geeignet. Und genau hier liegt das Problem: Zwar habe der Hersteller ebenfalls die BSC als zweckmäßige Vergleichstherapie festgelegt, sieht aber in den Ausführungen diese durch eine Placebo-Kontrolle ausreichend umgesetzt, schreibt das IQWiG. „Diese Einschränkung ist nicht sachgerecht.“
Slenyto wurde in einer doppelblinden, placebokontrollierten Phase-III-Studie sowie einer offenen Folgestudie untersucht. Die Ergebnisse bestätigen dem Arzneimittel sowohl in der Kurz- als auch in der Langzeitanwendung eine Wirksamkeit. In 24 Zentren in der EU und den USA wurden laut Infectopharm Langzeitdaten aus zwei Jahren Anwendungszeit erhoben. 125 Kinder im Alter von zwei bis 17,5 Jahren mit Schlafstörungen und Autismus-Spektrum-Störung oder Smith-Magenis-Syndrom wurden randomisiert – 28,8 Prozent mit komorbider Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) und 12,8 Prozent mit komorbider Epilepsie. Therapiert wurde altersunabhängig mit 2 mg Melatonin. Bei nicht ausreichendem Ansprechen konnte die Dosis in Woche 3 von 2 auf 5 mg und in Woche 26 von 2 auf 5 mg oder von 5 auf 10 mg aufdosiert werden.
Bereits kurz nach Einnahme wird ausreichend Melatonin freigesetzt, um die Einschlafzeit zu verkürzen. Die Probanden schliefen nach drei Monaten unter Slenyto im Mittel 39,6 Minuten schneller ein. Zum Vergleich: Unter Placebo war die Einschlafzeit um 12,5 Minuten verkürzt. Der retardierende Filmüberzug sorgt für eine verlängerte Wirkstofffreisetzung über die Nacht und imitiert somit die physiologische Melatonin-Ausschüttung. Positive Ergebnisse gibt es auch in Bezug auf die Gesamtschlafzeit. Diese konnte im Mittel um 57,5 Minuten verlängert werden. Unter Placebo waren es 9,14 Minuten mehr.
Doch die Ergebnisse überzeugten das IQWiG nicht. „Die Studie NEU_CH_7911 ist zur Ableitung eines Zusatznutzens von Melatonin gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie nicht geeignet.“ Aus dem vom Hersteller eingereichten Dossier ergebe sich kein Anhaltspunkt für einen Zusatznutzen, somit sei dieser nicht belegt. Die endgültige Entscheidung liegt beim G-BA.
Für Dr. Elmar Kroth, Geschäftsführer Wissenschaft beim Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH), ist die Nutzenbewertung von Slenyto des IQWiG „ein weiterer Rückschlag für die PUMA-Regelung“. „Wieder einmal droht, dass die intensiven Bemühungen eines Arzneimittelherstellers zur Verbesserung der Versorgungssituation bei Kindern in Deutschland durch die Nutzenbewertung konterkariert werden“, sagt Kroth. Es bestehe die Gefahr, dass im Falle einer Bestätigung der Empfehlung des IQWiG durch den G-BA das Arzneimittel nicht mehr zur Verfügung stehen könnte.
Kroth verweist auf die Nutzenbewertung von Alkindi aus dem November. Der G-BA hatte dem Hydrocortison-haltigen Granulat zur Entnahme aus Kapseln zur Erhaltungstherapie bei Niereninsuffizienz bei Neugeborenen, Kindern und Jugendlichen keinen Zusatznutzen zugesprochen. „Solche Entscheidungen führen dazu, dass speziell für Kinder entwickelte Arzneimittel unwirtschaftlich werden. Damit könnte Deutschland bei innovativen Kinderarzneimitteln mit PUMA-Charakter in Zukunft leer ausgehen“, fürchtet Kroth.
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