Schwangerschaft

Mehr Fehlgeburten durch Benzodiazepine APOTHEKE ADHOC, 31.05.2019 07:51 Uhr

Erhöhtes Fehlgeburtsrisiko? Die kanadische Fall-Kontroll-Studie zeigte einen Kausalzusammenhang. Betroffen sind sowohl kurz- als auch langwirksame Substanzen. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Millionen Menschen in Deutschland haben anhaltende Schlafstörungen, die die Lebensqualität beeinträchtigen. Auch viele Schwangere leiden unter den Beschwerden. Eine Fall-Kontroll-Studie unter Anick Bérard von der Universität Montreal im Fachjournal „JAMA Psychiatry“ zeigte nun einen Zusammenhang zwischen der Einnahme von Benzodiazepinen und einem erhöhten Fehlgeburtsrisiko: Dies gilt sowohl für kurz- als auch langwirksame Substanzen.

Genutzt wurde die Quebec Pregnancy Cohort, die Daten zu allen Schwangerschaften im kanadischen Teilstaat Montreal auswertet: 375 von 27.149 Frauen (1,4 Prozent), bei denen es zu einer Fehlgeburt kam, hatten vorher mindestens eine Benzodiazepin-Verordnung erhalten. In der Kontrollgruppe, 134.305 Frauen mit Lebendgeburten, waren es nur 0,6 Prozent. Dies ergibt eine Odds Ratio von 2,39, die mit einem 95%-Konfidenzintervall von 2,10 bis 2,73 signifikant war. Das Risiko für eine Fehlgeburt unter Benzodiazepinen ist demnach doppelt so hoch.

Obwohl die Benzodiazepin-Anwenderinnen etwas häufiger auch andere Risikofaktoren für eine Fehlgeburt wie Hypertonie, Asthma oder ein höheres Alter hatten, scheint das Risiko offensichtlich: Der Zusammenhang war sowohl für kurzwirksame als auch für lang langwirksame Benzodiazepine nachweisbar. Am stärksten war das Risiko einer Fehlgeburt unter Diazepam, Temazepam und Bromazepam. Eine Dosis-Wirkungs-Beziehung in epidemiologischen Studien spricht ebenfalls für eine Kausalität: Mit steigender Dosis nahm die Odds Ratio zu.

Benzodiazepine werden als Beruhigungs- oder als Schlafmittel eingesetzt. Sie passieren die Plazentaschranke und reichern sich im fetalen Kreislauf an, wo sie in bis zu dreifach höherer Konzentration vorhanden sind als im Blut der Mutter. Der Wirkmechanismus besteht in der Bindung an eine modulatorische Stelle am GABA-A-Rezeptor. Dies führt zu einer verstärkten Wirkung des Neurotransmitters. Dadurch nimmt die Öffnungswahrscheinlichkeit der mit den Rezeptoren verbundenen Chloridkanäle zu und der Einstrom der Chlorid-Ionen in die Nervenzelle wird verstärkt. Folge ist eine Hyperpolarisation der Zellmembran und damit eine geringe Erregbarkeit der Neuronenmembran.

Benzodiazepine haben eine dosisabhängige Wirkung: Niedrige Dosen wirken anxiolytisch, höhere Dosen muskelrelaxierend und hypnotisch und sehr hohe Dosen werden zur Unterdrückung eines Status epilepticus eingesetzt. Die Wirkung kann durch Flumazenil aufgehoben werden. Allerdings muss dieser Antagonist intravenös gegeben werden, da er bei oraler Gabe weitgehend von der Leber abgebaut wird.

Die Substanzen haben eine unterschiedliche Wirkdauer, die im Allgemeinen auf unterschiedliche Halbwertzeiten zurückzuführen sind. Kurzwirksame Benzodiazepine wie beispielsweise Lormetazepam und Midazolam werden zur Verkürzung der Schlaflatenz und damit bei Einschlafstörungen eingesetzt, während länger wirksame Benzodiazepine wie Bromazepam und Lorazepam bei Durchschlafstörungen Verwendung finden.

Die Dosierung und Dauer der Anwendung müssen an die individuelle Reaktionslage, das Indikationsgebiet und die Schwere der Krankheit angepasst werden. Grundsätzlich sollte die Dosis so klein und die Dauer der Behandlung so kurz wie möglich gehalten werden. Bei regelmäßiger Einnahme besteht die Gefahr einer ausgeprägten Sucht. Bereits nach einer kurzen Behandlungsdauer von wenigen Tagen mit täglicher Einnahme können nach dem Absetzen der Therapie Entzugserscheinungen auftreten.