Cannabis wirkt bei Migräne Deniz Cicek-Görkem, 29.06.2017 12:52 Uhr
Cannabis ist seit März im Rahmen einer ärztlichen Therapie verordnungsfähig; das Anwendungsgebiet wurde dabei gesetzlich nicht eingegrenzt. Die wirksamen Inhaltsstoffe machen vor allem Schwerkranken mit chronischen Schmerzen Hoffnung. Italienische Wissenschaftler haben in einer Studie eine weitere potenzielle Indikation der Cannabinoide entdeckt: Möglicherweise kann Medizinalhanf zur Vorbeugung und Behandlung von Migräne eingesetzt werden.
Ein Forscherteam um Dr. Maria Nicolodi hat untersucht, inwiefern Wirkstoffe des Cannabis zur Prophylaxe oder Therapie der Migräne und Clusterkopfschmerzen geeignet sind. Zunächst wurde die Dosis bestimmt, die eine Wirkung hervorruft. 48 Migräne-Patienten bekamen in diesem Rahmen zunächst 10 mg einer Kombination aus zwei Präparaten zur oralen Anwendung.
Präparat 1 (Bedrocan) enthielt 19 Prozent Tetrahydrocannabinol (THC) und Präparat 2 (Bedrolite) 9 Prozent Cannabidiol (CBD) und weniger als 0,4 Prozent THC. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass Dosen unter 100 mg keinen Effekt erzielten. Erst die Einnahme von 200 mg der Wirkstoffkombination konnte akute Schmerzen um 55 Prozent reduzieren.
Im nächsten Schritt wurden 79 Patienten mit chronischer Migräne drei Monate lang mit täglich 25 mg Amitriptylin oder 200 mg der öligen THC/CBD-Emulsion therapiert. Außerdem bekamen 48 Patienten mit Clusterkopfschmerzen entweder 480 mg Verapamil oder 200 mg THC/CBD täglich. Eine Notfalltherapie wurde gegebenenfalls mit 6 mg Sumatriptan (subkutan) eingeleitet.
Die Forscher kamen nach drei Monaten und einem Follow-Up über weitere vier Wochen zu dem Ergebnis, dass die Cannabinoide die Anzahl der Migräneattacken im selben Umfang reduzieren wie Amitriptylin (40,4 vs. 40,1 Prozent). Allerdings konnte die Schmerzintensität im Vergleich zu Amitriptylin um rund 44 Prozent gesenkt werden. Bei Clusterkopfschmerzen stellte man vergleichbare Effekte fest – allerdings nur bei Patienten, die bereits in der Kindheit mit Migräne zu kämpfen hatten.
„Wir konnten zeigen, dass Cannabinoide zur Vorbeugung von Migräne eine Alternative zu herkömmlichen Behandlungen sein können“, sagt Nicoladi. Zur Akutbehandlung von Clusterkopfschmerzen seien sie aber nur für Patienten mit einer Migräne-Historie geeignet.
Migräne zählt zu den primären Kopfschmerzen und wird unter anderem zurückgeführt auf eine Dilatation der Blutgefäße und eine neurogene Entzündung. Nach Empfehlungen der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) können zur Akuttherapie nichtopiode Analgetika wie Acetylsalicylsäure, Ibuprofen und Paracetamol eingesetzt werden. Weiterhin kommen Triptane wie Sumatriptan und Naratriptan zum Einsatz. Amitriptylin hat neben einer antidepressiven auch eine nachgewiesene migräneprophylaktische Wirkung und gilt daher als Mittel der ersten oder zweiten Wahl bei der Prophylaxe der Migräne.
Clusterkopfschmerzen äußern sich in streng einseitigen und in Attacken auftretenden heftigen Schmerzen im Bereich von Schläfe und Auge. Übliche Analgetika sind bei derartigen Schmerzen wirkungslos; dagegen können Patienten mit Sumatriptan subkutan und Zolmitriptan als Nasenspray therapiert werden. Außerdem wird der Calciumantagonist Verapamil off-label bei Clusterkopfschmerzen eingesetzt.