Medikationsmanagement

Klinikapotheker als Co-Piloten der Ärzte Maria Hendrischke, 28.12.2015 12:49 Uhr

Berlin - 

Ein gemeinsames Medikationsmanagement von Apothekern und Ärzten ist meist noch Zukunftsmusik. Nicht so in der Zentralklinik im thüringischen Bad Berka: Dort erstellen die Krankenhausapotheker Medikationspläne und optimieren die Arzneimitteltherapie in Kooperation mit den Ärzten.

Bereits 2005 gab es in der Klinikapotheke Überlegungen, wie die Medikation der Patienten verbessert werden könnte. „Wir haben dann sukzessive unser Medikationsmanagement aufgebaut“, erklärt Apothekenleiterin Dr. Grit Berger.

Das ist mittlerweile sehr umfassend: Schon vor dem Krankenhausaufenthalt wird neuen Patienten ein Bogen zugeschickt, in den sie alle Arzneimittel eintragen sollen, die sie aktuell nehmen. Die Liste senden die Patienten entweder vorab an die Apotheke zurück oder bringen sie zum Aufnahmegespräch mit.

In diesem Gespräch gehen Apotheker oder PTA mit dem Patienten gemeinsam die Auflistung durch. Dafür wurde ein Gesprächsleitfaden entwickelt. Alle Arzneimittel werden in einer elektronischen Datenbank erfasst. „Wenn dem Patienten ein Medikamentenname nicht einfällt, sind wir auch detektivisch tätig“, sagt Berger. Mit Erlaubnis des Patienten rufen die Mitarbeiter bei seinem Hausarzt an und fragen nach.

Aus den Angaben der Patienten wird ein Medikationsplan erstellt, der während des Klinikaufenthalts ständig aktualisiert wird. Im Durchschnitt nimmt ein Patient acht verschiedene Medikamente ein, schätzt Berger. Die vom Hausarzt verordneten Präparate müssen die Apotheker zudem durch klinikeigene ersetzen. „Diese Arbeit fällt bei nahezu jedem Patienten an“, sagt Berger.

Auch nach der Entlassung begleiten die Krankenhausapotheker ihre Patienten, zumindest indirekt: Jeder bekommt einen Arzneimittelpass ausgestellt. Darauf vermerken die Apotheker alle aktuell eingenommenen Mittel sowie deren Wirkstoff, Darreichungsform und Dosierung. Außerdem beinhaltet der Pass Hinweise, wie die Präparate angewendet werden sollen.

Um belegen zu können, was der Medikationscheck bringt, führt Berger eine Statistik: „Wir stellen pro Jahr mehrere tausend Interaktionen fest“, berichtet sie. Diese seien bei weitem nicht immer schwerwiegend. Trotzdem handeln die Apotheker dann sofort und tauschen etwa Arzneimittel aus. „Viele unnötige Krankenhausaufenthalte würden sich mit einem Medikationsplan verhindern lassen“, sagt die Klinikapothekerin. Jedes Jahr gebe es in Deutschland etwa 16.000 Arzneimitteltote.

Apotheker und Ärzte arbeiten an der Klinik in Bad Berka eng als Team zusammen. „Das Verhältnis zwischen den Berufsgruppen ist bei uns sehr gut“, sagt Berger. „Wir Apotheker führen die pharmazeutische Anamnese durch, die Ärzte nehmen sie in ihre medizinische Anamnese auf“, erklärt sie. In der Datenbank der Klinik vermerkten die Ärzte ihre Verordnungen, die dann sofort auch für die Apotheker einsehbar seien. „Wir greifen auch häufig zum Telefon und besprechen mit den Ärzten eine Dosisanpassung oder die Dauer einer Medikamentengabe“, ergänzt Berger.

In Bad Berka sind nur 4,5 Planstellen für Apotheker vorgesehen. Die Mitarbeiter bieten das Medikationsmanagement zusätzlich zur Arzneimittelversorgung der Klinik an. Dabei werden die Apotheker von Pharmazeuten im Praktikum (PhiP) und Kollegen in Forschungsprojekten unterstützt. Dem stehen 46.000 Patienten gegenüber, die jährlich in der Klinik behandelt werden.

Berger sieht die Personalaufstellung kritisch: „Ich hätte gerne mehr Mitarbeiter.“ Dann könnten zum Beispiel die letzten zwei Stationen angeschlossen werden, die noch nicht von ihrer Leistung profitierten. Außerdem will Berger enger mit dem ambulanten Dienst zusammenarbeiten: „So könnten Medikationsumstellungen nachhaltiger kommuniziert werden.“

Eine weitere Schwierigkeit: Das Medikationsmanagement wird nicht von den Krankenkassen getragen. „Es wird aus dem Krankenhausbudget finanziert“, erklärt Berger. Dass funktioniert, weil die Leistung die Arzneimittellogistik der Klinik verbessert: Wenn schon vor Ankunft des Patienten abgeschätzt werden kann, welche Präparate er benötigt, können diese vorbestellt werden. Teure Einzelbestellungen beim Großhändler bleiben aus.

Ein ähnliches Projekt wie in Bad Berka gibt es am Saale-Unstrut-Klinikum Naumburg. Dort übernimmt Apothekerin Franziska Frank seit einem Jahr den Medikationscheck für Patienten. 24 Stunden pro Woche analysiert sie die Medikation auf allen Stationen. Im Jahr werden 14.000 Patienten im Klinikum behandelt. Franks Arbeit begann im Rahmen eines einjährigen Pilotprojekts, das der Apothekenleiter der Uniklinik Jena, Professor Dr. Michael Hartmann, gemeinsam mit dem ärztlichen Direktor der Naumburger Klinik, Dr. Bernd Lobenstein, initiiert hatte.

Das Projekt lief so erfolgreich, dass Frank ab dem kommenden Jahr unbefristet in Naumburg Medikationen prüfen und gegebenenfalls optimieren soll. Außerdem wird 2016 nach dem gleichen System auch in der Zeitzer Klinik ein Apotheker die Ärzte unterstützen.