Arzneimittelkennzeichnung

Medikationsfehler: Hier lauert die Gefahr APOTHEKE ADHOC, 05.04.2018 11:46 Uhr

Berlin - 

Medikationsfehler können verschiedene Ursachen haben. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) analysiert seit 2012 die entsprechenden Meldungen, die von Fachkreisen oder Patienten eingegangen sind. Beispiele aus der Praxis wurden im aktuellen Bulletin zur Arzneimittelsicherheit veröffentlicht. Meldungen zu Medikationsfehlern gab es beispielsweise bei Nurofen, Zink-Tabletten, MTX-Fertigspritzen oder Flupentixol-haltigen Arzneimitteln.

Nurofen (Reckitt Benckiser, RB) als 2- oder 4-prozentiger Saft ist mit Orangen- oder Erdbeergeschmack erhältlich. Die Packungen ähneln sich sehr in Aufmachung und Design und könnten so leicht verwechselt werden. Es handelt sich um sogenannte Lookalikes. Außerdem sei die Umrechnung von Prozent- in Konzentrationsangaben sehr fehleranfällig. Da die Säfte bei Kindern angewendet würden, dürfe es nicht zu Fehlkalkulationen aufgrund mangelnder Einheitlichkeit der Stärkeangaben kommen, so die Experten. Daher werden eindeutige und klare Stärkeangaben in mg/ml gefordert. Das BfArM hat bereits Kontakt mit RB und anderen Herstellern aufgenommen. Fast alle hätten sich bereit erklärt, die Prozentangaben gegen eine Mengenangabe pro ml auszutauschen.

Fehldosierungen seien auch bei Valproinsäure-haltigen Lösungen zum Einnehmen möglich, wenn ein Austausch vorgenommen wird. Denn es sind zwei Stärken im Handel, die sich um das Fünffache unterscheiden. Antiepileptika zählen jedoch zu den Präparaten, deren Austausch Risiken in der Behandlung bergen kann. Bereits geringe Dosisveränderungen können klinisch relevante Folgen haben. In Köln fand eine solche Fehldosierung statt. Der Patient wurde von der ambulanten Verordnung Orfiril Saft (300 mg/5 ml) von einer Pflegekraft auf Ergenyl Tropfen (300 mg/ml) umgestellt. Der Stationsarzt der pädiatrischen Abteilung hatte lediglich eine dreimal tägliche Gabe zu 5 ml angesetzt – die Pflegekraft stellte volumengleich auf die Tropfen um. Somit wurde das Arzneimittel deutlich überdosiert. Künftig soll die Stärkeangabe als Mengenangabe pro Milliliter – entsprechend 60 mg/ml beziehungsweise 300 mg/ml – erfolgen.

Eine fünffache Überdosierung wurde auch für Flupentixol-haltige Arzneimittel dokumentiert. Eine 79-jährige Patientin sollte laut Krankenhaus dauerhaft mit 20 mg Flupentixoldecanoat behandelt werden. Der Hausarzt wählte bei der Verschreibung das Arzneimittel, das als erstes gelistet war – Fluanxol Depot 10 Prozent. Das Arzneimittel enthält 100 mg Wirkstoff. Dreimal wurde die Patientin mit dem gesamten Inhalt der Ampulle behandelt. Einen Schaden erlitt die Frau jedoch nicht. Im Handel befindliche Arzneimittel sind sowohl mit Prozent- als auch Mengenangabe in mg/ml gekennzeichnet. Der Verzicht auf die Prozentangabe trage zu einer sichereren Verordnung bei, so das Ergebnis einer Umfrage. Die Prozentangabe werde nicht als hilfreich, sondern verwirrend empfunden.

Methotrexat-haltige Fertigspritzen haben ebenfalls das Potenzial zu Fehldosierungen. Fast jeder ist am HV schon einmal beinahe einem Irrtum aufgesessen, denn die Spritzen zur einmal wöchentlichen Anwendung sind unterschiedlich gekennzeichnet. Deklariert ein Hersteller beispielsweise mit 7,5 mg/ml, entspricht die Angabe der Stärke nur für einen Milliliter der realen Wirkstoffgesamtmenge. Da die einzelnen Spritzen jedoch unterschiedliche Füllvolumen besitzen, resultiert eine unterschiedliche Gesamtmenge. So ergibt sich bei einem Füllvolumen von 0,33 ml eine Menge von 2,5 mg oder bei 3,33 ml eine Wirkstoffmenge von 25 mg. Werden die Füllvolumina nicht beachtet, können Unter- beziehungsweise Überdosierungen auftreten.

Verwirrungen und Fehler können aufgrund von Rabattverträgen möglich sein. Eine Harmonisierung der Deklaration ist jedoch nicht möglich, „da die europäischen Bezüge der zugrunde liegenden Zulassungsverfahren berücksichtigt werden müssen und sich bisher kein europäisch harmonisiertes Verfahren etablieren ließ“.

Auch Zinkpräparate seien für Fehldosierungen anfällig. Ausgehend von einer Arztmeldung über Zinkorotat 20 mg verglich das BfArM sämtliche Angaben zur Wirkstoffmenge in den Bezeichnungen zinkhaltiger Arzneimittel mit der tatsächlich enthaltenen Menge. In zwei Fällen bezog sich die Mengenangabe im Namen auf das enthaltene Salz. Dabei kam es zu erheblichen Abweichungen zwischen der tatsächlich enthaltenen Menge und der im Arzneimittelnamen deklarierten. Zinkorotat 20 mg entspricht nur 3,2 mg reinem Zink also nur ein Sechstel des eigentlichen Gewichts. Anwender ohne pharmazeutischen Hintergrund könnten dies ohne Weiteres nicht erkennen, was Unterdosierungen nach sich ziehe. Eine Anpassung der realen Stärkeangabe in der Arzneimittelbezeichnung sei vorgesehen.

Fehldosierungen sind nicht nur aufgrund von abweichenden Stärkeangaben möglich, sondern auch durch Nichteinhalten der vorgegebenen Dosierungsschemata, sowie Verwechslungen von sogenannten Lookalikes. Patienten können sowohl durch Über- als auch Unterdosierungen Schaden nehmen. So kann beispielsweise eine Unterdosierung Ursache einer nicht ausreichenden Wirkung sein und eine Überdosierung zu schwerwiegenden Nebenwirkungen führen.