Lieferschwierigkeiten

PEI dokumentiert Impfstoff-Engpässe APOTHEKE ADHOC/dpa, 21.10.2015 11:34 Uhr

Berlin - 

Das Paul-Ehrlich-Insitut (PEI) hat erstmals eine Übersicht der Lieferengpässe von Impfstoffen auf seiner Website veröffentlicht. Sie beruht auf den Informationen der Hersteller, die sich dazu verpflichtet haben, zu melden, wenn ein Engpass voraussichtlich länger als zwei Wochen anhält. Demnach sind derzeit insgesamt 16 Präparate nicht lieferbar.

Eine Übersichtsliste über Lieferengpässe bei Impfstoffen war immer wieder gefordert worden. Zuletzt hatten die Grünen sich zu dem Thema geäußert. Anders als bei der Liste zu Arzneimittelengpässen, die das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) führt und die auf freiwilligen Meldungen basiert, haben sich die Impfstoffhersteller zur Meldung verpflichtet.

Die Liste wurde Anfang Oktober veröffentlicht und soll laufend aktualisiert werden. In der Übersicht werden Impfstoffe aufgeführt, die derzeit gar nicht oder nur in einzelnen Packungsgrößen nicht verfügbar sind. Angegeben wird auch, wann die Impfstoffe voraussichtlich wieder lieferbar sind. Die Ständige Impfkommission (Stiko) ergänzt die Herstellerangaben durch konkrete Handlungsempfehlungen. Auch nicht mehr bestehende Engpässe sollen künftig aufgeführt werden – bislang ist diese Liste allerdings leer.

Das PEI meldet bei einer Vielzahl von Impfstoffen Lieferengpässe. Betroffen sind auch Grippeimpfstoffe. Derzeit ist in Deutschland keine einzige tetravalente Vakzine erhältlich: Influsplit Tetra von GlaxoSmithKline (GSK) ist bereits ausverkauft. Und auch AstraZeneca hat die Zehnerpackung Fluenz Tetra bereits vollständig an den Großhandel ausgeliefert. Einzeldosen des Nasensprays gab es in dieser Saison überhaupt nicht, aus dem Unternehmen heißt es, eine Charge sei ausgefallen. Hexal kann seinen Impfstoff Begripal derzeit ebenfalls nicht mehr anbieten. Das PEI empfiehlt, auf andere Hersteller auszuweichen.

GSK hat außerdem seinen Polioimpfstoff Boostrix nicht mehr auf Lager, ebenso fehlen die Impfstoffe gegen Typhus (Typherix) und Hepatitis A (Havrix). Auch der Fünffachimpfstoff Infanrix zur Grundimmunisierung ist nicht erhältlich.

Sanofi Pasteur MSD meldet leere Regale bei Pentavac und Hexyon. Die Fünffachimmunisierung wird voraussichtlich erst Anfang 2017 wieder verfügbar sein. Für die sechsvalente Impfung soll laut PEI zumindest Anfang 2016 wieder Ware vorhanden sein. Bei Repevax sieht es nicht ganz so düster aus: Das Unternehmen meldet, den Vierfachimpfstoff gegen Tetanus, Diphterie, Keuchhusten und Polio ab November wieder liefern zu können. Die STIKO empfiehlt, auf andere Hersteller auszuweichen oder nicht unbedingt notwendige Impfungen zu verschieben.

Nachdem im vergangenen Monat 14 Impfstoffe nicht lieferfähig waren, sind es jetzt bereits 16. Eine Warnung, dass die Bevölkerung nicht mit Basisimpfstoffen versorgt werden kann, hält eine PEI-Sprecherin allerdings für nicht notwendig: „Einige Impfstoffe fallen derzeit aus, aber nicht der Impfschutz.“ Riskante Lücken gebe es nicht, da insbesondere für die Grundimmunisierung Alternativen zur Verfügung stünden. Mögliche Verzögerungen bei Auffrischungen hält das PEI für vertretbar.

Der Deutsche Verband der Kinder- und Jugendärzte (DVKJ) widerspricht: „Bis zum Jahresende werden wir bestimmte Impfstoffe nicht bekommen, etwa den Impfstoff gegen Diphtherie, Keuchhusten und Tetanus“, teilte der Verband mit. Weder einheimische Kinder noch oft ungeimpfte Flüchtlingskinder könnten angemessen versorgt werden. Die Kinder- und Jugendärzte fordern Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) auf, den Impfstoffmangel zur Chefsache zu machen.

Erst kürzlich hatte der Hausärzteverband angemahnt, dass es Versorgungsengpässe besonders bei Grippeimpfstoffen geben könnte, auch in Anbetracht der zunehmenden Flüchtlingszahlen. Zudem werde durch Rabattverträge eine künstliche Verknappung provoziert.

Für die diesjährige Grippeschutzimpfung hat das PEI bereits mehr als 20 Millionen Impfdosen freigegeben. Empfohlen wird die Impfung vor allem Risikogruppen wie Menschen ab 60 Jahre, chronisch Erkrankten, Pflegeheimbewohnern, Schwangeren und medizinischem Personal. Einige Fachleute plädieren auch für die Schutzimpfung bei Kleinkindern. Der optimale Zeitpunkt ist Oktober bis November.

Jährlich sterben in Deutschland Tausende Menschen an der Virusgrippe. Labordiagnostisch bestätigt wird jedoch nur ein Bruchteil der Erkrankungs- und Todesfälle, weil Ärzte häufig auf einen Virusnachweis durch Labordiagnostik verzichten. In der Grippesaison 2014/2015 gab es rund 70.000 laborbestätigte Fälle von Influenza und 227 laborbestätigte Todesfälle.