Piperacillin/Tazobactam

Antibiotika-Engpass gefährdet Patienten

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Berlin -

Lieferengpässe gehören zum Alltag in Apotheken und Kliniken. Besonders bedrohlich kann die Situation werden, wenn lebenswichtige Arzneimittel wie Antibiotika, Zytostatika oder Notfalltherapeutika fehlen. Zurzeit fehlt die antibakteriell wirksame Kombination Piperacillin/Tazobactam. Der Engpass gefährdet die Patientensicherheit und kann Resistenzen verursachen, wenn Ärzte auf Ersatzpräparate ausweichen müssen. Die Fachgruppen schlagen Alarm.

Am 10. Oktober war in Dongia in der chinesischen Provinz Shandong eine Fabrik des Lohnherstellers Qilu explodiert, in der Rohstoff hergestellt wird. Seitdem fehlt allen Hersteller Nachschub; die Vorräte an Piperacillin/Tazobactam sind abverkauft. Das Breitbandantibiotikum wird bei verschieden schweren Infektionen eingesetzt. Die Kombination kann auch gegen gramnegative Bakterien eingesetzt werden und findet bei Krankenhausinfektionen Verwendung.

Das Medikament sei hochwirksam und unentbehrlich, mahnen Experten der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie (DGI) und des Bundesverbandes Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA). Ärzte müssten aufgrund der Lieferengpässe auf Alternativpräparate ausweichen. Da diese ein anderes Wirkspektrum aufwiesen, könnten sich Resistenzen entwickeln, die dann schwer zu behandeln seien.

Einige Präparate müssten auch durch schlechter wirksame Medikamente ausgetauscht werden, die auch zum Teil mehr Nebenwirkungen aufwiesen, so Dr. Dr. Katja de With, Sprecherin der Sektion Antibiotic Stewardship der DGI und Leiterin der Klinischen Infektiologie am Universitätsklinikum Dresden. Es entstünden Nachteile in der Behandlung bis hin zur Gefährdung der Patienten.

Auch andere Wirkstoffe wie Daptomycin oder Ampicillin/Sulbactam seien immer wieder betroffen. Ein Notfallplan sei nötig, um die Versorgung dauerhaft sicherstellen zu können. „Ein erster wichtiger Schritt wäre eine verbindliche Meldepflicht bei Lieferengpässen für die Industrie. Denn derzeit sind Hersteller nicht verpflichtet, Versorgungsengpässe beim Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zu melden. „Oft werden Krankenhausapotheken und behandelnde Ärzte erst informiert, wenn keine Ware mehr vorhanden ist“, so Dr. Matthias Fellhauer, Direktor der Apotheke des Schwarzwald-Baar Klinikums und Vorsitzender des Ausschusses Antiinfektive Therapie der ADKA.

Vor dem Hintergrund weiter zunehmender Lieferunfähigkeiten der Hersteller fordern GDI und ADKA daher, „den bisher nicht gesetzlich fixierten Lieferanspruch von Krankenhäusern festzuschreiben“. Krankenhausapotheken würden ganz überwiegend direkt von den Herstellern und nur zu einem „verschwindend geringen Bruchteil über Arzneimittelgroßhändler beliefert“.

DGI und ADKA fordern Politik und Industrie dazu auf, Strategien zu entwickeln, die die Produktions- und Lieferfähigkeit von Arzneimittel verbessern, auch wenn deren Patentschutz abgelaufen ist. Die Versorgung mit lebensnotwendigen Medikamenten müsse gewährleistet sein, sonst gerate die Patientensicherheit ernsthaft in Gefahr, so die Experten.

Verschiedene Faktoren sind für die immer wieder auftretenden Lieferengpässe verantwortlich. „Ein Grund ist der extreme Preiswettbewerb, der vor allem bei generisch verfügbaren Wirkstoffen vorherrscht“, erklärt Dr. Martin Hug, Direktor der Apotheke der Universitätsklinik Freiburg und Mitglied des Ausschusses Antiinfektive Therapie des ADKA. „Pharmazeutische Unternehmen verlagern die Produktion deshalb oft in Schwellenländer, die aber nicht über die hiesigen Sicherheitsstandards verfügen und deshalb anfälliger sind für Produktionsprobleme.“

Ein weiterer Grund für Lieferprobleme sei die Konzentration der Roh- und Wirkstoffproduktion in den Händen von immer weniger Anbietern. Auch die weltweit steigende Nachfrage nach bestimmten Antibiotika sei ein Grund für regelmäßig auftretende Engpässe.

„Auf der Ebene der Patientenversorgung muss es originäre Aufgabe von Infektiologen sein, gemeinsam mit Klinikapothekern Strategien zu entwickeln, um bei Antibiotika-Lieferengpässen eine sichere und wirksame Behandlung von Infektions-Patienten sicherzustellen“, sagt Professor Dr. Winfried Kern, Vorstandsmitglied der DGI und Leiter der Infektiologie an der Universitätsklinik Freiburg.

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