FDA: Empfehlung für „Pink Viagra“ APOTHEKE ADHOC, 05.06.2015 15:28 Uhr
Ein Expertenausschuss der US-Arzneimittelbehörde FDA hat die Zulassung für Flibanserin empfohlen. Vor der Markteinführung müssten mögliche Nebenwirkungen aber weiter untersucht werden. Das Sexualstimulans, das auch unter dem Namen „Pink Viagra“ bekannt ist und den Handelsnamen Addyi bekommen soll, war von Boehringer Ingelheim entwickelt worden und ist für den Einsatz bei Frauen mit Libidostörungen gedacht.
Im vergangenen Jahr hatte der Hersteller Sprout Pharmaceuticals zum dritten Mal die Zulassung für den Serotoninantagonisten zur Behandlung von „Hypoactive Sexual Desire Disorder“ (HSDD) bei der FDA beantragt. Flibanserin blockiert postsynaptische 5-HT-1A und -2A-Rezeptoren und soll zur nicht-hormonellen Behandlung von sexueller Unlust bei prämenopausalen Frauen eingesetzt werden.
Boehringer hatte den Wirkstoff ursprünglich als Antidepressivum entwickelt und war 2010 mit einem Zulassungsantrag zur Behandlung von HSDD bei der FDA gescheitert. Das Arzneimittel sei nicht effektiv genug, um die Risiken bei der Einnahme zu rechtfertigen. Vier Monate später warf der deutsche Konzern das Handtuch und verkaufte die Rechte schließlich 2012 an die Eigentümer von Sprout, Cindy und Robert Whitehead.
Wenige Monate später wurde ein weiterer Zulassungsantrag abschlägig beschieden: Flibanserin zeige nur mäßigen Nutzen bei der Verbesserung der sexuellen Zufriedenheit der Patientinnen, hieß es von der FDA. Jetzt sprachen die Experten überraschend eine Empfehlung aus. HSDD sei eine ernste Störung, die bei den betroffenen Frauen zu Identitäts- und Beziehungsproblemen führen könne. Bislang gebe es keine anerkannten Therapien.
Die Wirksamkeit von Flibanserin in der optimalen Dosierung von 100 Milligramm vor dem Schlafengehen wurde laut FDA in drei randomisierten, doppelt verblindeten und placebokontrollierten Studien über 24 Wochen nachgewiesen, von denen die letzte als Reaktion auf vorherige FDA-Empfehlungen nachgeschoben wurde. Die insgesamt mehr als 2700 Probandinnen waren vor allem hellhäutig, in einer festen Beziehung und durchschnittlich 36 Jahre alt.
Erstmals konnte jetzt eine geringe, aber statistisch signifikante Überlegenheit gegenüber Placebo in Bezug auf Verlangen und Sexualverhalten nachgewiesen werden. Die sexuelle Aktivität der Probandinnen wurde im 24-wöchigen Studienzeitraum anhand der Anzahl und der Qualität der „satisfying sexual events“ (SEE) gemessen. Dazu erfassten die Frauen ihre Erlebnisse mittels eines elektronischen Tagebuchs und bewerteten sie auf einer nach oben offenen Skala. Änderungen in der Wahrnehmung der Patientinnen wurden in allen drei Studien als primärer Endpunkt festgelegt.
Das sexuelle Verlangen wurde anhand des Female Sexual Function Index (FFSI) beschrieben. Der FSFI ist das am häufigsten genutzte Instrument für die Erfassung sexueller Dysfunktion bei Frauen. Unwohlsein im Zusammenhang mit geringem sexuellen Verlangen wurde ebenfalls über den Zeitraum von 24 Wochen gemessen. Hier wurde der Female Sexual Distress Scale-Revised Item 13 (FSDS-R13 (Distress)) zugrunde gelegt: Die Patientinnen gaben an, wie häufig sie sich von ihrer Dysfunktion beeinträchtigt gefühlt haben. Veränderungen im FSDS-R13 wurden als wichtiger sekundärer Endpunkt aller drei Studien festgelegt.
Als häufigste Nebenwirkungen führen die Studien Müdigkeit, Übelkeit, Erschöpfung, Schlafstörungen und Schwindel an. Auch Mundtrockenheit und Angstzustände wurden bei den Probandinnen beobachtet. Die FDA hatte wiederholt angemahnt, Flibanserin in der niedrigsten wirksamen Dosis zu entwickeln. Ziel sei, ein Arzneimittel herzustellen, das bei einem wesentlichen Nutzen für die Patientinnen die Nebenwirkungen auf akzeptablem Niveau halte.
Auch die jetzige Empfehlung der Behörde stellt Bedingungen an den Hersteller: Die Packungsbeilage muss um wesentliche Hinweise ergänzt werden, dass die Therapie nach 12 Wochen ohne Besserung beendet werden muss. Darüber hinaus sei erforderlich, auf Kontraindikationen mit CYP3A4-Inhibitoren und das Risiko gleichzeitigen Alkoholgenusses aufmerksam zu machen. Potenzielle Risiken müssen in verständlicher Sprache aufgeführt werden. Die Patientinnen müssten außerdem darüber informiert werden, dass Flibanserin für keine andere sexuelle Dysfunktion als HSDD eingesetzt werden dürfe. Auch ein expliziter Hinweis, die Einnahme tagsüber zu vermeiden, müsse vermerkt werden.
Insgesamt nahmen 17.490 Patientinnen an Studien zu Flibanserin teil. 10.713 Frauen wurden mit dem Wirkstoff behandelt, darunter auch gesunde Freiwillige.