Levonorgestrel

Spiralen: Frauen klagen – EMA prüft weiter Nadine Tröbitscher, 18.07.2017 13:47 Uhr

Berlin - 

Gibt es einen Zusammenhang zwischen Ängsten, Stimmungsschwankungen, innerer Unruhe und Levonorgestrel-haltigen Spiralen? Mit dieser Frage beschäftigt sich der Pharmakovigilanzausschuss (PRAC) bereits seit einigen Monaten. Die für Juli angekündigten Ergebnisse werden sich voraussichtlich bis Oktober hinauszögern. In den USA klagen bereits etwa 2600 Anwenderinnen gegen Bayer, die Frauen behaupten, der Konzern habe um die Risiken gewusst und nicht angemessen gewarnt.

Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) prüft derzeit in einem Signalüberprüfungsverfahren einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Hormonspiralen und psychiatrischen Nebenwirkungen wie Angst, Panikattacken, Stimmungsschwankungen, Schlafstörungen und Unruhe. Betroffen sind Intrauterinpessare (IUP) mit Levonorgestrel (LNG), enthalten in den Bayer-Produkten Mirena, Jaydess und Kyleena sowie Levosert (Gedeon Richter) und Luadei (Bayer), das in Österreich auf dem Markt ist. Depression und depressive Verstimmungen wurden bereits als häufige Nebenwirkungen (≥ 1/100, < 1/10) in die Produktinformation aufgenommen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat jedoch Meldungen über Verdachtsfälle weiterer psychiatrischer Störungen erhalten. Allein zu Mirena sollen es mehr als 270 sein.

Eine Studie des Erasmus University Medical Center Rotterdam konnte bei Trägerinnen von IUP in Stresssituationen feststellen, dass diese übermäßig Cortisol ausschütten und zudem die Herzfrequenz ansteigt. Die Ergebnisse zeigen: Levonorgestrel-haltige Spiralen können nicht nur lokal in der Gebärmutter wirken. Dort soll LNG das monatliche Wachstum der Gebärmutterschleimhaut reduzieren und den Gebärmutterschleim verdicken. Spermien und Eizellen kommen nicht miteinander in Kontakt – die Befruchtung bleibt aus. Chronischer Stress gilt als wesentlicher Risikofaktor für die psychischen unerwünschten Arzneimittelwirkungen von Hormonspiralen. Die Ergebnisse wurden in Psychneuroendocrinology veröffentlicht.

Die Probandinnen wurden in drei Gruppen eingeteilt – Trägerinnen der LNG-Spirale, orale Kontrazeptiva; die Kombination aus Ethinylestradiol/ LNG und keine hormonelle Verhütungsmethode. Die Teilnehmerinnen unterzogen sich drei Testphasen: dem Trierer Stress Test, einer Injektion mit dem Adrenocortikotropen Hormon, das die Synthese und Ausschüttung von Cortisol aus der Nebennierenrinde stimuliert sowie der Untersuchung von Haarproben auf das Stresshormon.

Die Studie zeigte ein eindeutiges Ergebnis: In allen drei Tests wiesen Frauen mit IUP die größte Stressantwort auf – Cortisolspiegel und Herzfrequenz waren am höchsten. Nach dem Trierer Stress Test lagen die Werte des Stresshormons für Spiralenträgerinnen bei etwa 25 nmol/ l, Frauen, die mit das orale Kontrazeptivum nutzen, lagen bei etwa 3 nmol/l. Probandinnen, die nicht hormonell verhüteten, erreichten Werte von etwa 11 nmol/l. Die maximale Herzfrequenz lag bei Frauen mit LNG-Spirale bei etwa 39 Schlägen die Minute, bei Verwenderinnen der Pille bei etwa 28 und in der Kontrollgruppe bei etwa 27.

Eine Petition des BfArM im vergangenen Jahr hatte den Stein zur Überprüfung der LNG-Spiralen ins Rollen gebracht, daraufhin nahm der PRAC der EMA die Arbeit auf. Die vom Hersteller Bayer eingereichten Daten genügten den Experten jedoch nicht. Die Zulassungsinhaber müssen bis Ende August weitere Daten nachreichen. Eine Entscheidung wird somit erst für Oktober erwartet.

In den USA haben bereits etwa 2900 Mirena-Anwenderinnen Klage eingereicht. Die Frauen fordern von Bayer einen Schaden- und Strafschadenersatz. Der Grund der Klagen sind jedoch keine psychiatrischen Nebenwirkungen, sondern andere Gesundheitsschäden wie die Perforation des Uterus, ektopischen Schwangerschaften oder idiopathischer intrakranieller Hypertension. Die Klägerinnen behaupten, die Risiken seien Bayer bekannt gewesen – dennoch wurden die Frauen nicht gewarnt.