Leitlinientherapie

Cystitis: Phytos und Mannose empfohlen Nadine Tröbitscher, 20.07.2017 09:17 Uhr

Berlin - 

Im Laufe ihres Lebens erleidet jede zweite Frau eine Harnwegsinfektion. Bei jeder vierten Patientin ist der Infekt rezidiv. Werden in diesen Fällen, vor allem bei unkomplizierten Harnwegsinfekten, immer wieder Antibiotika verordnet, können Resistenzen entstehen. Die überarbeitete S3-Leitlinie enthält nun auch Empfehlungen jenseits einer Antibiose und spricht sich für Phytos und Mannose aus.

Eine unkomplizierte Harnwegsinfektion liegt laut Experten vor, wenn im Harntrakt keine relevanten funktionellen oder anatomischen Anomalien vorliegen. Zudem dürfen keine relevanten Nierenfunktionsstörungen sowie Vor- oder Begleiterkrankungen zu verzeichnen sein, die eine Harnwegsinfektion oder Komplikationen begünstigen. Der Infekt kann durch Schmerzen beim Wasserlassen, häufige Miktionen und einen nicht zu unterdrückenden Harndrang gekennzeichnet sein.

Laut Leitlinie sollten die betroffenen Patientengruppen in puncto Diagnostik, Therapie und Prävention unterschieden werden. Vorgesehen sind folgende Gruppen: nicht schwangere Frauen ohne relevante Begleiterkrankungen – die sogenannte Standardgruppe. Das Risiko der Frauen, an einem Harnwegsinfekt zu erkranken, steigt mit Geschlechtsverkehr, Verwendung von Diaphragmen und Spermiziden oder Harnwegsinfektionen in der Familienanamnese. Weitere Patientengruppen sind Schwangere, Frauen in der Postmenopause, junge Männer sowie Diabetiker mit stabiler Stoffwechsellage.

Häufigster Erreger unkomplizierter akuter Infekte ist E. Coli gefolgt von Staphylococcus saprophyticus, Klebsiella pneumoniae und Proteus mirabilis. Enterokokken sind häufig bei Mischinfektionen zu finden. Betroffen von der Erkrankung sind meist Frauen. Vor allem in den Wechseljahren steigt die Gefahr für eine Cystitis, denn der sich ändernde Östrogenhaushalt zieht Schleimhautveränderungen nach sich. Eine Antibiose oder eine Katheterisierung können ebenfalls eine Blasenentzündung auslösen. Männer können aufgrund einer benignen Prostatahyperplasie an einem Harnwegsinfekt erkranken. Die Diagnose kann über Urinsticks oder im Labor gestellt werden.

Harnwegsinfekte können wiederkehren, dabei ist zwischen einem Rückfall und einem Rezidiv zu unterscheiden. Rückfälle treten in etwa 10 Prozent der Fälle bis zu 14 Tage nach dem Therapiebeginn auf. Ein Rezidiv hingegen ist eine neue Infektion und kann auf einen anderen Erreger zurückzuführen sein. Reinfektionen können beispielsweise durch Östrogenmangel oder psychosomatisch durch eine Assoziation zum Geschlechtsverkehr auftreten.

Neben der akuten unkomplizierten Harnwegsinfektion unterscheidet die S3-Leitlinie weiter zwischen der Pyelonephritis sowie der asymptomatischer Bakteriurie und rezidivierenden unkomplizierten Harnwegsinfektionen.

Aufgrund von Resistenzen sollte eine Antibiose gut überlegt sein. Zudem ist die Zahl der Spontanheilungen bei akuten unkomplizierten Blasenentzündungen hoch – etwa 30 bis 50 Prozent nach einer Woche. Ziel der Behandlung sollte es daher primär sein, die klinischen Symptome schnell abklingen zu lassen.

Placebokontrollierte Studien zeigen eine rasche Symptomlinderung unter einer Antibiotikatherapie. Im Vergleich zu Ibuprofen ist der Heilungsverlauf vergleichbar – nach einer Woche waren 70 Prozent der Teilnehmer beschwerdefrei, unter Antibiose 80 Prozent. Mit Hinblick auf dieses Studienergebnis kann laut Leitlinie den Betroffenen eine Ibuprofen- anstelle einer Antibiotikatherapie angeboten werden. Die Studienergebnisse wurden im British Medical Journal veröffentlicht. Dennoch spricht die Leitlinie sich für eine antibiotische Therapie zur Behandlung der akuten unkomplizierten Cystitis aus. Eine alleinige symptomatische Therapie kann alternativ bei Patienten mit leichter oder mittelgradiger Symptomatik erwogen werden.

Für die Therapie der akuten unkomplizierten Cystitis sollte eine kurzzeitige Therapie mit einem dafür geeigneten Antibiotikum als Mittel der Wahl verabreicht werden. Die Antibiotika sollten oral eingenommen werden. Die Wahl des Antibiotikums sollte unter Berücksichtigung des individuellen Patientenrisikos, dem Erregerspektrum und der Antibiotikaempfindlichkeit, der Effektivität der Arznei, den unerwünschten Arzneimittelwirkungen sowie dem Kollateralschaden mit Blick auf die Resistenzentwicklung erfolgen.

Dem Erregerspektrum entsprechend kommen folgende Antibiotika für einen Einsatz bei unkomplizierten Harnwegsinfekten in Betracht: Fosfomycin, Nitrofurantoin, Trimethoprim beziehungsweise Cotrimoxazol, Pivmecillinam, Nitroxolin, Aminopenicilline in Kombination mit einem β-Lactamase-Inhibitor, Cephalosporine und Fluorchinolone. Der Kollateralschaden ist bei beiden letzteren Antibiotikagruppen am größten, daher sollten sie nicht Mittel der Wahle sein – dennoch sind die Fluorchinolone, die am häufigsten verordneten Antibiotika bei einer akuten unkomplizierten Cystitis. Fosfomycin weist hingegen nur einen geringen Kollateralschaden auf.

Bei häufig rezidivierender Blasenentzündung sollten Frauen das Immunprophylaktikum UroVaxom über drei Monate einer Langzeitantibiose vorziehen. Ebenfalls vor Beginn einer Langzeitprävention mit einem Antibiotikum können drei Vakzine StroVac im Abstand von einer Woche verabreicht werden.

Auch Phytos und Mannose sind in der Leitlinie aufgeführt. Für Cranberry-Präparate kann derzeit keine Empfehlung ausgesprochen werden, da die Studienergebnisse widersprüchlich sind. In der Selbstmedikation werden bislang Cranberry-Produkte mit einem Gehalt von 400 mg zweimal täglich angewendet um vor Infektionen der Harnwege schützen. Laut Experten sei der Effekt am ehesten mit hoch dosierten Tabletten oder Kapseln mit einem Proanthocyanidin-Gehalt von rund 100 mg/Tag – dreimal mehr als derzeit empfohlen 36 mg/Tag, zu erwarten. Jedoch fehlen Studiendaten.

Positiv wird Mannose bewertet, laut Leitlinie wurde die Wirkung im Vergleich zu Nitrofurantoin bestätigt, die Studienergebnisse wurden im World Journal of Urology veröffentlicht. In einer unizentrischen dreiarmigen prospektiven, kontrollierten, offenen Studie gegenüber Placebo und Nitrofurantoin konnte Mannose eine dem Antibiotikum gleichwertige Wirkung zeigen – mit signifikant weniger Nebenwirkungen.

D-Mannose wird unverändert aus dem Körper wieder ausgeschieden und nicht resorbiert. Der Zucker soll die Bakterien ummanteln und somit verhindern, dass sich diese in den Schleimhäuten anheften können. Mit dem Urin werden dann D-Mannose und eingeschlossene Bakterien ausgespült. Der Zucker wird auch vom Körper selbst gebildet.

Bei häufig rezidivierender Cystitis der Frau kann Mannose laut Leitlinie empfohlen werden. Alternativ können verschiedene Phytotherapeutika wie Bärentraubenblätter mit einer zeitlichen Beschränkung auf maximal einen Monat sowie die Kombination aus Kapuzinerkresse und Meerrettichwurzel empfohlen werden.

In einer prospektiven, randomisierten, verblindeten Studie an Teilnehmern mit rezidivierenden Harnwegsinfektionen wurden jeweils 2 Tabletten Verum (Angocin Anti Infekt 80mg Meerrettichwurzelextrakt/200mg Kapuzinerkressekraut) am Morgen und Abend oder Placebo über einen Zeitraum von drei Monaten verabreicht. Im Studienverlauf sank die Harnwegsinfektionsrate in der Verumgruppe auf 0,43 im Placeboarm auf 0,77 – bei annähernd gleichen Nebenwirkungen.

Eine schwedische placebokontrollierte, doppelblinde und randomisierte Studie zeigte den Erfolg der Kombination aus Bärentraubenblättern und Löwenzahn – ein deutsches Produkt gibt jedoch es nicht. Über einen Zeitraum von einem Monat erhielten die Probanden dreimal täglich drei Tabletten. In der Verumgruppe bliebn 30 Probandinnen über ein Jahr hinweg rezidivfrei. In der Placebogruppe fünf von 27.