Onkologie

Larotrectinib: Allzweckwaffe gegen Tumore

, Uhr
Berlin -

Larotrectinib könnte in der EU das erste Arzneimittel mit einer tumorunabhängigen Indikation werden. In den USA, Kanada und Brasilien hat Bayer die Zulassung für Vitrakvi bereits in der Tasche. In der vergangenen Woche hat nun auch der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) eine bedingte Zulassungsempfehlung ausgesprochen.

Vitrakvi ist indiziert für die Behandlung von erwachsenen und pädiatrischen Patienten mit lokal fortgeschrittenen oder metastasierten soliden Tumoren. Voraussetzung ist, dass eine neurotrophe Tyrosin-Rezeptor-Kinase (NTRK)-Genfusion vorliegt und die Tumore lokal fortgeschritten oder metastasiert sind oder eine chirurgische Resektion eine hohe Morbidität zur Folge haben kann. Zudem steht für die Betroffenen keine zufriedenstellende Therapieoption zur Verfügung.

Das präzisionsonkologische Arzneimittel wurde gezielt zur Behandlung von Tumoren mit einer NTRK-Genfusion entwickelt und stellt eine histologieunabhängige Krebstherapie dar. Die Mutation ist zwar selten, kann aber überall im Körper auftreten. Vitrakvi stellt also nicht nur eine Therapieoption für eine Krebsart, sondern für verschiedene Tumore dar. Vor Behandlungsbeginn müssen die Patienten auf das Vorhandensein der Mutation untersucht werden.

TRK-Tumore sind selten. In Europa wird deren Zahl auf nicht mehr als einige Tausend pro Jahr geschätzt. Betroffen können sowohl Erwachsene als auch Kinder sein. Die Chromosomenmutation entsteht, wenn sich ein NTRK-Gen auf abnorme Weise mit einem anderen nicht zusammenhängenden Gen verbindet. Das TRK-Fusionsprotein ist als onkogener Treiber kontinuierlich aktiv und regt das Wachstum von Krebszellen durch eine unkontrollierte Zellkommunikation an.

Vitrakvi zielt auf die spezifische genomische Veränderung ab und blockiert die Wirkung der Proteine und hemmt so das Tumorwachstum. Weil die NTRK-Genfusionen unabhängig von bestimmten Zell- und Gewebearten auftreten können, ist der Einsatz von Larotrectinib beispielsweise bei Lungen- und Schilddrüsenkrebs, Melanomen, Dickdarm-, Bauchspeicheldrüsen-, Gallengangskarzinomen oder Tumoren des Wurmfortsatzes, Sarkomen, Gliomen und Gliobastomen sowie bestimmten pädiatrischen Tumoren wie infantilem Fibrosarkom und Weichteilsarkom möglich.

Larotrectinib wird oral verabreicht. Wirksamkeit und Sicherheit wurden in drei einarmigen Studien an insgesamt 102 Erwachsenen und Kindern und 29 Histologien bestätigt. Die Probanden wurden zuvor mit der Standardtherapie behandelt, hatten sich einer Operation unterzogen. Die Primäranalyse zeigt eine Ansprechrate (ORR) von 72 Prozent, davon zeigten 16 Prozent ein vollständiges Ansprechen (CR). Für 55 Prozent der Probanden wurde ein partielles Ansprechen (PR) dokumentiert. Bezogen auf primäre ZNS-Tumore betrug das ORR 67 Prozent, davon 15 Prozent CR und 51 Prozent PR.

Die klinischen Studien bestätigen dem Arzneistoff ein günstiges Sicherheitsprofil. Mögliche unerwünschte Arzneimittelwirkungen sind erniedrigte Neutrophilenzahl, Anämie, Gewichtszunahme, Fatigue, Schwindelgefühl, Übelkeit oder eine erniedrigte Leukozytenzahl. 3 Prozent der Patienten mussten die Behandlung aufgrund von unerwünschten Arzneimittelwirkungen abbrechen.

Im August hatte Bayer für seine Hoffnungsträger die EU-Zulassung beantragt. Jetzt ist die erste Hürde genommen. Die endgültige Endscheidung liegt bei der EU-Kommission und wird in den kommenden Monaten erwartet.

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Neuere Artikel zum Thema
Mehr zum Thema
Produktion wird eingestellt
Aus für Fumaderm
Überdosierungen und schwerwiegende Nebenwirkungen
Deferasirox: BfArM warnt vor Umstellungsrisiken
Mehr aus Ressort
Pankreatitis als Nebenwirkung
Mounjaro: Tod nach Abnehmspritze
Novo Nordisk veröffentlicht Studienergebnisse
CagriSema: Enttäuschende Ergebnisse für Ozempic-Nachfolger

APOTHEKE ADHOC Debatte