Das Antiepileptikum Lamotrigin ist derzeit nur eingeschränkt lieferbar. Lieferausfälle hatten sich bereits im vergangenen Jahr angekündigt, denn erste Hersteller hatten einen Engpass beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gemeldet. Offenbar ist der Ausfall eines Wirkstofflieferanten in Spanien die Ursache.
Lamotrigin wird zur Behandlung von Epilepsie und zur Prophylaxe depressiver Episoden bei Patienten mit bipolaren Störungen eingesetzt. Auch auf dem Jour Fixe zum Thema „Liefer- und Versorgungsengpässe“ war Lamotrigin ein Thema – wie Venlafaxin wurde der Wirkstoff nicht als versorgungsrelevant eingestuft. Im November teilte das BfArM mit: „Einige Arzneimittel sind nicht oder nur eingeschränkt verfügbar. Ein Lieferabriss ist nach Kenntnis des BfArM nicht eingetreten. Die Liefersituation soll bis Ende 2019 verbessert sein, wobei umfassende Verfügbarkeit für Ende 1. Quartal 2020 prognostiziert wird.“
Was aber ist der Grund für den Engpass? Die Liste der beim BfArM gemeldeten Lieferengpässe beinhaltet zwar Begründungen, aber diese sind eher allgemeingehalten und nur wenig präzise. Dazu zählen „regulatorische Anpassungen“ oder „Produktionsprobleme“. Fest steht, weltweit gibt es für einige Wirkstoffe nur noch wenige Hersteller. Kommt es zu unvorhersehbaren technischen oder hygienischen Problemen oder Naturkatastrophen kann die weltweite Versorgung beeinträchtigt sein.
Lamotrigin wird mehrheitlich in Indien produziert, mehrere dortige Wirkstoffproduzenten (Alembic, Aurobindo, Cipla, CTX, GVK, IOL, Jubilant, RA Chem, Unichem, Unimark) halten ein CEP-Zertifikat („Certificate of Suitability“), das vom Europäischen Direktorat für Qualität von Arzneimitteln (EDQM) vergeben wird. Über ein Zertifikat verfügen auch Hersteller aus China (Zhejiang Huahai), Polen (Polpharma), Israel (Teva) und den USA (Mylan). Dem spanischen Wirkstoffhersteller Uquifa (Union Quimico Farmaceutica) wurde das CEP-Zertifikat dagegen Mitte Dezember entzogen – nur vier Monate, nachdem er es erst erhalten hatte. Eine Antwort des Lohnherstellers steht derzeit noch aus. Uquifa war im Herbst auch im Zusammenhang mit NDMA in Rantitin aufgefallen.
„Im Falle von Lamotrigin wurde einem Wirkstoffhersteller das CEP-Zertifikat entzogen“, bestätigt die Stada auf Nachfrage. „Die Situation wurde durch eine allgemeine Knappheit der Präparate am Markt sowie Lieferengpässen bei unseren Mitanbietern und einer daraus resultierenden erhöhten Nachfrage der entsprechenden Stada- und Aliud-Produkte noch verschärft“, so der Konzern. Um die Lieferfähigkeit zu gewährleisten, komme bei Stada eine so genannte Second-Source-Strategie zum Einsatz. Deren Ziel sei es, für alle wichtigen Wirkstoffe mindestens zwei qualifizierte Lieferquellen zu haben, die im Idealfall aus unterschiedlichen Ländern stammen. „Trotz dieser Sicherheitsmaßnahmen konnte der Lieferengpass bei Lamotrigin-Präparten bisher jedoch leider nicht vollständig aufgefangen werden. Die derzeitige Situation ist für uns ebenfalls sehr unzufriedenstellend.“
Als weitere mögliche Ursache könnte eine Kreuzkontamination in den USA in Frage kommen. Hierbei handele es sich jedoch um einen ganz speziellen Einzelfall, „mit dem unsere Produkte ebenfalls in keinem Zusammenhang stehen“, so Stada.
Einen globalen Engpass der aktiven Substanz bestätigt auch Aurobindo. Der gleichnamige indische Mutterkonzern hält seit März 2019 ein eigenes CEP. Man könne derzeit mit Ausnahme der beiden Handelsformen Lamotrigin AB 25mg N3 und 100mg N1 auch nicht liefern – „aufgrund des globalen API-Engpasses“, heißt es aus München.
Auch bei Aristo werden so langsam die Bestände knapp. „Wir haben unsere Volumen dramatisch hochgefahren, aber allein in der vergangenen Woche haben wir unseren geplanten Monatsabsatz abgegeben, so dass es wohl nur noch eine Frage der Zeit ist, bis wir auch hier lieferunfähig werden“, so Geschäftsführer Dr. Stefan Koch. Da man die Fertigarzneimittel selbst produziere, könne man immerhin flexibel reagieren und Aufträge vorziehen; laut Koch werden daher voraussichtlich Anfang März wieder alle Stärken verfügabr sein. Aber generell sei die Situation unplanbar und unbefriedigend. Nicht zuletzt für die Patienten sei es ärgerlich, wenn die Firma, die ihre Bestände plane und im Griff habe, am Ende doch nicht liefern könne, weil ein anderer ausfalle.
Ratiopharm ist ebenfalls nur eingeschränkt lieferbar. Allerdings hält das Unternehmen keinen Rabattvertrag und mit etwa 2 Prozent nur einen geringen Marktanteil. Ein Sprecher erklärt, warum die kleineren Player den Ausfall nicht kompensieren können: „Fällt ein oder fallen mehrere Wettbewerber mit großem Marktanteil (Rabattvertragspartner der Kassen) aus, können die anderen Wettbewerber mit kleinen Marktanteilen den Ausfall nicht auffangen. Auch wenn diese Hersteller nicht direkt von der Ursache des Lieferengpasses betroffen sind, sind sie aufgrund der plötzlichen extrem ansteigenden Nachfrage innerhalb kurzer Zeit ebenfalls nicht mehr lieferfähig.“ Teva hält ebenfalls ein eigenes CEP-Zertifikat.
Auch Hexal fällt aus. Der Konzern hält ebenfalls nur einen geringen Marktanteil und bestätigt für die firmeneigenen Präparate Lieferprobleme aufgrund notwendiger regulatorischer Anpassungen. „Konkret handelt es um eine notwendige Änderungsanzeige zur Herstellung des Arzneimittels an die Zulassungsbehörden.“ Man gehe davon aus, im März wieder komplett lieferfähig sein, denn die entsprechende Genehmigung habe man inzwischen erhalten.
Bei Mylan hat man ebenfalls aufgrund von Lieferschwierigkeiten anderer auf dem Markt befindlicher Antiepileptika mit dem Wirkstoff Lamotrigin seit Juli 2019 eine erhöhte Nachfrage nach Lamotrigin dura wahrgenommen. „Mylan hat umgehend auf den erhöhten Bedarf reagiert. Dennoch konnten wir Lieferverzögerungen bei bestimmten Packungsgrößen nicht vollständig vermeiden. Wir beobachten die Marktsituation weiter engmaschig.“
Laut Arzneimittelverordnungsreport 2019 wurden im Vorjahr 44,1 Millionen Tagesdosen (DDD) des Antiepiletikums verordnet. Knapp elf Millionen DDD entfielen auf Aristo. Knapp dahinter rangiert Aurobindo mit etwa acht Millionen DDD, gefolgt von Heumann mit knapp sechs Millionen DDD. Alle drei Hersteller haben beispielsweise Rabattverträge mit AOKen.
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