Hypothyreose und Krebs

L-Thyroxin: Erhöhtes Risiko für Tumorbildung

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Berlin -

Thyroxin ist ein an zahlreichen Stoffwechselvorgängen beteiligtes Schilddrüsenhormon. Der Stoff ist in überwiegender Form ein Prohormon, das seine Hauptaktivität über das Stoffwechselprodukt Trijodthyronin (T3) entfaltet. Bei einer Schilddrüsenunterfunktion ersetzt L-Thyroxin die fehlende körpereigene Hormonmenge. Schwedische Forscher haben nun festgestellt, dass das Risiko für bestimmte Krebsarten unter der Einnahme des Hormons steigt. Die Ergebnisse zeigen darüber hinaus, dass L-Thyroxin bei Männern und Frauen die Entstehung unterschiedlicher Arten begünstigt.

Um einen Mangel an Schilddrüsenhormonen auszugleichen supplementieren viele Menschen das Hormon durch die Einnahme von Tabletten. Eine Hypothyreose und eine L-Thyroxin-Therapie können wissenschaftlich belegt das kardiovaskuläre Risiko und die Gesamtsterblichkeit reduzieren. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass die Supplementierung dieser Hormone mit einer erhöhten Inzidenz für einige Karzinome einhergeht und in vitro einen tumorfördernden Effekt haben könnte.

Eine Forschungsgruppe um Professor Dr. Per Wändell vom Karolinska-Institut in Stockholm untersuchte anhand verschiedener nationaler Register den Zusammenhang zwischen L-Thyroxin und einer erhöhten Krebsinzidenz. Hierfür schlossen die Wissenschaftler alle Erwachsenen, die am 1. Januar 2009 älter als 18 Jahre alt waren mit ein – in der Summe handelte es sich hier um 8.573.313 Personen. Anhand eines Verordnungsregisters wurden diejenigen Personen identifiziert, die zwischen dem 1. Juli 2005 und dem 31. Dezember 2006 zwei oder mehr Rezepte für L-Thyroxin erhalten hatten. Tatsächlich in die Studie eingeschlossen wurden nur die Patienten, bis 2009 keine Krebsdiagnose erhalten hatten – so sollten eventuell latent bestehende Tumorerkrankungen zusätzlich ausgeschlossen werden. Alle Personen ohne L-Thyroxin-Behandlung bildeten die Kontrollgruppe.

Krebsrisiko erhöht

Von den Probanden erhielten zwischen 2009 und 2015 insgesamt 399.751 Personen die Diagnose Krebs. 19.196 Patienten gehörten zu der L-Thyroxin Gruppe. Für beide Geschlechter ergab sich in der L-Thyroxin Gruppe ein leicht erhöhtes Krebsrisiko gegenüber der Kontrollgruppe. Das Krebsrisiko für Männer war um 6 Prozent, das der Frauen um 8 Prozent erhöht. Es konnten weitere Unterschiede festgestellt werden: Bei den Männern waren vor allem Schilddrüsenkarzinome deutlich häufiger. Bei den Frauen war diese Krebsart nicht gehäuft aufzufinden – hier waren Brust- und Endometriumkarzinome häufig. Auch die Erkrankungszahlen für Karzinome anderer Geschlechtsdrüsen als dem Ovar waren erhöht. Zudem waren Magen-, Darm-, Leber-, Pankreas-, Harnblasen- und Hautkrebs in der L-Thyroxin Gruppe häufiger vertreten, als in der Kontrollgruppe.

Die Ursache für das unterschiedliche Krebsrisiko ist bislang unklar. Eine Erklärung der Forscher für die erhöhten Endometriums- und Brustkrebszahlen bei Frauen könnte sein, dass Schilddrüsenhormone auch Effekte von weiblichen Geschlechtshormonen imitieren. Zum Thema L-Thyroxin und Mammakarzinomen liegen bereits andere Untersuchungen vor, die auch ein gesteigertes Krebsrisiko nahelegen. Warum die Schilddrüse selbst bei einer Supplementierung jedoch fast ausschließlich bei Männern einen Tumor ausbildet, bleibt für die Wissenschaftler noch unklar. Hier müssten anschließende Untersuchungen vorgenommen werden.

Auch an Wechselwirkungen denken

Patienten, die L-Thyroxin supplementieren sollten auch an mögliche Wechselwirkungen mit anderen Präparaten denken. Da das Hormon an einer Vielzahl von Stoffwechselvorgängen beteiligt ist, sollten Patienten dem Endokrinologen immer alle Präparate anderer Dauermedikationen nennen. Im Beratungsgespräch in der Apotheke fällt beim Thema L-Thyroxin öfter auf, dass eine bestehende Medikation in Interaktion mit dem Hormon treten könnte. So geht der Arzneistoff beispielsweise mit folgenden Wirkstoffen Wechselwirkungen ein: Calcium oder andere zweiwertige Mineralstoffe, Antazida, Metformin, Glukokortikoide, Betablocker und orale Kontrazeptiva.

Der beste Einnahmezeitpunkt für Schilddrüsenhormone ist morgens nach dem Aufstehen auf nüchternen Magen. Zu anderen Arzneimitteln sollte ein ausreichender zeitlicher Abstand eingehalten werden – 30 Minuten bis zwei Stunden gilt hier als optimal.

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