Versorgungsatlas

Regionale Probleme beim Antibiotika-Einsatz

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Berlin -

Als Maßnahme gegen zunehmende Resistenzen will die Bundesregierung die leichtfertige Verschreibung von Antibiotika an Patienten eindämmen. Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) will dazu mit speziellen diagnostischen Verfahren den zielgenauen Einsatz von Antibiotika fördern. In einer Analyse der Antibiotika-Verordnungen seit 2008 kommt der „Versorgungsatlas“ vom Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung zu einem insgesamt positiven Ergebnis. Probleme gibt es danach insbesondere beim Anstieg der Verordnungen von sogenannten Reserve-Antibiotika.

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) beklagt seit langem einen Mangel an diagnostischen Schnelltest-Methoden zur Identifizierung resistenter Erreger. Solche Tests stünden nicht in ausreichendem Maß zur Verfügung. Daher soll der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) mit dem Pharmadialog-Gesetz beauftragt werden, Vorgaben für den Einsatz solcher Antibiotika-Schnelltests zu entwickeln.

Jedes Jahr sterben nach Schätzungen Tausende Menschen in Deutschland an Infektionen durch multiresistente Bakterien. Gegen diese „Superkeime“ helfen viele Antibiotika nur noch schlecht oder gar nicht mehr, die Erreger sind resistent geworden. Als Hauptgrund gilt, dass Antibiotika zu häufig und unsachgemäß eingesetzt werden – in der Humanmedizin und der Tierzucht.

Allerdings kommt die Analyse der Verordnungsdaten des „Versorgungsatlas“ zu einem differenzierten Ergebnis. Danach gibt es Probleme bei Reserve-Antibiotika, aber auch ­positive Entwicklungen beim Einsatz von Antibiotika in der ambulanten Versorgung sowie deutliche regionale Unterschiede. Danach lag der personenbezogene Antibiotikaverbrauch in Deutschland 2012 etwa 30 Prozent unter dem Durchschnitt von 30 europäischen Ländern. Bei den „Spitzenreitern“ war der Verbrauch mehr als doppelt so hoch wie in Deutschland. „Gleichwohl besteht auch hierzulande – wie generell in den meisten Ländern – beim Einsatz von Antibiotika Optimierungsbedarf“, so die Analyse.

In Deutschland werden rund 85 Prozent des Antibiotikaverbrauchs von niedergelassenen Ärzten verordnet. Bei Kindern und Jugendlichen ist die Antibiotikatherapie im Beobachtungszeitraum statistisch signifikant rückläufig. Kinderärzte verordnen Antibiotika kürzer und seltener. Leicht rückläufig ist der Einsatz von Antibiotika auch bei älteren Patienten jenseits des 70. Lebensjahres, vor allem in Thüringen und Sachsen-Anhalt. In der Altersgruppe der Erwachsenen zwischen 15 und 69 Jahren haben sich die Verordnungen zwischen 2008 und 2014 nicht signifikant verändert.

Deutlich sind laut Versorgungsatlas die regionale Unterschiede im Verordnungsverhalten. Am häufigsten werden Antibiotika im Saarland verordnet, am sparsamsten in Brandenburg mit etwa der Hälfte. Generell verordnen die Ärzte in den alten Bundesländern, insbesondere im Westen und Südwesten, mehr Antibiotika als in den neuen Ländern. Daraus schließt der Versorgungsaltas deutliche Einsparpotentiale bei Antibiotika-Verordnungen.

Die Analysen liefern laut Versorgungsatlas zwar keine Erklärung für die teilweise sehr deutlichen regionalen Unterschiede bei der Verordnung von Antibiotika, „zeigen aber, in welchen Regionen besonderer Handlungsbedarf besteht, wo die Bevölkerung aufgeklärt und Ärzte bei der sachgerechten Verordnung von Antibiotika unterstützt werden müssen“.

Sorgen bereitet vor allem der steigende Einsatz bestimmter Reserveantibiotika, der Cephalosporine. Die Verordnungsdichte von Cephalosporinen stieg danach zwischen 2008 und 2014 in allen Bundesländern mit jährlich durchschnittlich 7,6 Prozent signifikant an. Nur bei den unter 15-Jährigen war dieser Anstieg geringer. Seit 2009 liegt Deutschland damit bei der Cephalosporin-Verordnung über dem EU-Durchschnitt. „Dies dürfte dem Einsatz dieser Substanzen bei Atemwegsinfektionen geschuldet sein“, so der Versorgungsatlas.

Positiv sei hingegen der signifikant rückläufige Einsatz von Fluorchinolonen bei älteren Patienten in 13 Bundesländern, da dieses Antibiotikum bei Älteren schwere Infektionen mit Clostridium diffizile auslösen kann. Die Entwicklung des Verbrauchs bei den Fluorchinolonen zeige insgesamt einen leicht rückläufigen Trend, vor allem in Baden-Württemberg. Die Fluorchinolonverbrauchsdichte lag 2008 insbesondere bei Erwachsenen im Südwesten höher als in den meisten neuen Bundesländern.

2014 untersuchten die Wissenschaftler des Versorgungsatlas Antibiotikaverordnungsraten bei Infektionserkrankungen, die von niedergelassenen Ärzten besonders häufig behandelt werden. Abgeglichen wurden die Ergebnisse mit europäischen Qualitätsindikatoren.

Diesen Indikatoren entsprechend werde für Atemwegserkrankungen einschließlich Bronchitis eine Verordnungsrate von maximal 30 Prozent empfohlen. Im Bundesdurchschnitt wurden laut Versorgungsatlas 30,6 Prozent aller Patienten mit der Diagnose Atemwegserkrankungen antibiotisch behandelt. Allerdings gab es auch hier beträchtliche regionale Schwankungen. Diese reichen von 21,5 Prozent in Berlin bis 37,8 Prozent im Saarland.

Chinolone sollten bei Atemwegsinfektionen laut Versorgungsatlas zurückhaltend eingesetzt werden: „Ihr Anteil sollte fünf Prozent nicht überschreiten.“ Dieser Wert werde – regional unterschiedlich – überschritten. Die Spanne reicht dabei von sechs Prozent in Bremen bis knapp 15 Prozent in Sachsen-Anhalt. „Experten sehen daher auch bei der Diagnose Atemwegsinfektion Handlungsbedarf, den Einsatz von Antibiotika zu reduzieren“, heißt es in der Analyse.

Erstellt wird der Versorgungsatlas von der Stiftung Zentralinstituts für die Kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi). Die Stiftung wird finanziert aus Mitteln der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV).

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