Krebsmedikamente

Methadon gegen Zyto-Resistenzen

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Berlin -

In der Liste der unentbehrlichen Arzneimittel führt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Methadon seit 2005. Der künstlich produzierte Opioid könnte in Zukunft die Krebstherapie unterstützen: Bestimmte Chemotherapien schlagen in Verbindung mit Methadon besser an, wie Molekularbiologin Dr. Claudia Friesen und ihr Team berichten. Den unkontrollierten Einsatz des Opioids in der Tumortherapie unterstützen die Forscher aber nicht.

Friesen hatte 80 Patienten, deren Krebserkrankung teilweise weit fortgeschritten war, mit einer Kombination aus Temozolomid und Methadon behandelt. Die Patienten lebten nach dieser Behandlung länger als ursprünglich erwartet, einige leben sogar heute noch.

Wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse sind jedoch bislang ausschließlich aus vorklinischen Experimenten entweder mit Zellkulturen oder tierexperimentellen Studien bekannt. Es sei „unbedingt notwendig, prospektive, kontrollierte, randomisierte Studien bei Patienten durchzuführen“, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme der Medizinischen Fakultät der Universität Ulm, des Universitätsklinikums Ulm und des Comprehensive Cancer Center Ulm.

Tatsächlich wurden die Patienten nicht an der Klinik und auch nicht im Rahmen von klinischen Studien behandelt. Vielmehr erhielten sie Methadon als Schmerztherapeutikum bei Tumorschmerzen oder „off label“. Von einem wirklichen „Therapieerfolg“ wollen die Forscher aufgrund bislang fehlender wissenschaftlicher Publikationen nicht sprechen.

„Der unkontrollierte Einsatz weckt bei Patienten unrealistische Erwartungen, die sich nachteilig für die Patienten auswirken können. So gibt es Berichte, dass Patienten im Glauben an die Wirksamkeit von Methadon gut wirksame Therapiekonzepte für sich abgelehnt haben“, heißt es auf Seiten der Wissenschaftler. „Es muss auch erwähnt werden, dass Methadon erhebliche Nebenwirkungen haben und die Lebensqualität der Patienten deutlich einschränken kann.“

Das Potenzial von Methadon als Antikrebsmittel bei der Behandlung von Leukämie-Patienten ist seit einigen Jahren bekannt. Der μ-Opioid-Rezeptor (μOR) kann den programmierten Zelltod (Apoptose) bei Leukämiezellen vermitteln. Im Gegensatz zu Leukämiezellen überlebten zudem nichtleukämische Lymphozyten, die sich außerhalb der blutbildenden Organe befinden, die Methadonbehandlung.

Die Wissenschaftler aus Ulm entschlüsselten den bis dato unbekannten Mechanismus des durch Methadon verursachten gezielten Zellsterbens. Die Forscher behandelten die Zelllinien einer lymphoblastischen T-Zell-Leukämie und einer myeloiden Leukämie mit verschiedenen Konzentrationen von Methadon. Die positive Wirkung des Medikaments war bei kurzfristig hoher Dosierung ähnlich wie bei einer längerfristigen, dafür aber niedrigen Dosierung.

Während die Krebszellen starben, überlebten die gesunden Zellen beide Therapieschemata. Die verwendeten Zellen tragen den Angaben zufolge Opioidrezeptoren auf ihrer Oberfläche, an die das Methadon binden kann. Das Opioid hemmt die Teilung der Krebszellen. Zudem aktiviert es Enzyme, die so genannten Caspasen, die den programmierten Zelltod einleiten.

Zudem bricht Methadon laut einer Studie von 2008 die Resistenz gegen Chemotherapeutika: Das Opioid ist in der Lage, Doxorubicin-resistente sowie CD95-resistente und sogar Apoptose-resistente Leukämiezellen zu bekämpfen, bei denen häufig in der Krebstherapie angewendete Zytostatika versagen.

„Wir konnten nun anhand menschlicher Zellen außerhalb des Körpers aber auch im Tierversuch nachweisen, was mit beziehungsweise was in einer Krebszelle passiert, wenn eine konventionelle Chemotherapie mit der Gabe von D,L-Methadon kombiniert wird“, sagte Friesen. „Zunächst aktiviert Methadon die auf der Oberfläche gelegenen Opioidrezeptoren von Krebszellen. Das führt zu einer generell besseren Aufnahme des konventionellen Krebsmedikaments in der Krebszelle. Zudem konnten wir eine Reduzierung des Herauspumpens des Chemotherapeutikums aus der Krebszelle beobachten.“

Der Methadon induzierte Zelltod war abhängig von der Aktivierung der Caspase-3 und -9 in den Leukämiezellen – also ähnlich wie bei den in der Leukämietherapie verwendeten Krebsmedikamenten. Aber nicht nur die Caspasen werden aktiviert, sondern auch die Mitochondrien. Sie setzen daraufhin Sauerstoffradikale frei und öffnen die Membran. So kann das Chemotherapeutikum wirken.

Doch obwohl Methadon viele Resistenzen der Krebszellen durchbricht, müssen nach Meinung der Wissenschaftler noch viele klinische Studien durchgeführt werden, um die Frage der Wirksamkeit und Verträglichkeit einer Methadontherapie bei Krebspatienten zu klären.

2009 erhielten Friesen und ihr Team 300.000 Euro von der Deutschen Krebshilfe als Projektförderung. Friesen ist Leiterin des Molekularbiologischen Forschungslabors am Institut für Rechtsmedizin und am Zentrum für Biomedizinische Forschung der Ulmer Universitätsmedizin.

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