HPV-Impfung für Jungen? dpa, 01.07.2016 12:06 Uhr
Schon seit zehn Jahren ist der Impfstoff gegen Humane Papillomviren (HPV) in Europa zugelassen. HPV können bei Mädchen und Frauen unter anderem Gebärmutterhalskrebs auslösen – bei ihnen ist die Impfung relativ gängig. Doch was ist mit den Jungen? Denn HPV können auch bei Männern Krebs hervorrufen. Unter Experten hat sich eine intensive Debatte entzündet.
Der geistige Vater des Impfstoffs, Professor Dr. Harald zur Hausen, setzt sich schon länger für die Impfung beider Geschlechter ein. „Ich halte es für sinnvoll, Jungen zwischen neun und 14 Jahren vor Einsetzen der sexuellen Aktivität zu impfen“, sagt der Medizin-Nobelpreisträger. Die Impfung schütze Sexualpartner davor, sich gegenseitig anzustecken.
Die Krebsfrüherkennung werde zwar weiterhin empfohlen, möglicherweise könnten zur Hausen zufolge in Zukunft aber die Zeitspannen zwischen den Untersuchungen verlängert werden. „Bereits jetzt ist belegt, dass die Impfung die Entwicklung von Krebsvorstufen am Gebärmutterhals verhindern kann.“ Zwei der drei verfügbaren Impfstoffe schützten zudem vor Genitalwarzen.
Zur Hausen arbeitet am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg, das als Co-Patentinhaber an den Verkaufserlösen des Impfstoffs beteiligt ist. Kritiker bemängeln die hohen Kosten: Für einen vollständigen HPV-Impfschutz – es sind mehrere Impfungen nötig – kommen in Deutschland derzeit zwischen 320 Euro und 480 Euro zusammen.
Bislang übernehmen die Krankenkassen die Kosten nur für Mädchen, laut Robert Koch-Institut (RKI) lässt sich in Deutschland noch nicht einmal jedes zweite gegen HPV impfen. Das sei zu wenig, als das auch ungeimpfte Männer vor Ansteckung geschützt seien, argumentieren Befürworter der HPV-Immunisierung von Jungen.
„Die HPV-Impfung verursacht immense Kosten für unser Gesundheitssystem, die an anderer Stelle eingespart werden müssen, zum Beispiel beim Krankenhauspersonal“, kritisiert stattdessen der Münchner Kinderarzt Dr. Martin Hirte. Eine HPV-Impfempfehlung für Jungen sieht er kritisch, da er den Nutzen als gering einstuft. Es könnten außerdem starke Nebenwirkungen auftreten, etwa chronische Schmerzen und Kreislaufschwäche. Zur Hausen hingegen spricht von sehr geringen Risiken: Auf etwa 100.000 Impfdosen komme eine heftige allergische Reaktion.
Zwar ist belegt, dass HPV am Gebärmutterhals Schaden anrichten, ob eine flächendeckende Impfung aber das richtige Mittel ist, um den Krebs zu bekämpfen, sehen manche Ärzte kritisch. „Impfungen sind nur ein Aspekt von Krankheitsvorsorge und nicht immer der kostengünstigste, schonendste und effektivste“, sagt Hirte, der ein Buch zur HPV-Impfung veröffentlicht hat. Die Impfung von Jungen bezeichnet er darin als „teuer und ineffektiv“.
Ganz anders sieht das der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (STIKO), Dr. Jan Leidel. „Mittlerweile wissen wir, dass HPV nicht nur Gebärmutterhalskrebs, sondern auch Analkrebs, Peniskrebs, Vulvakrebs, Vaginakrebs und Krebsformen im Mund-Rachen-Bereich machen kann.“
Bei Männern, die Sex mit Männern hätten, sei Analkrebs fast so häufig wie Gebärmutterhalskrebs bei Frauen. Für Mädchen empfiehlt die Stiko den Pikser seit 2007. Für Jungen gibt es von der Kommission bislang keine Empfehlung. Eine Arbeitsgruppe beschäftigt sich aber mit dem Thema.
Jährlich erkranken rund 530.000 Frauen weltweit an Gebärmutterhalskrebs. In Deutschland tritt diese Krebsform aktuell vergleichsweise selten auf. Nach Schätzungen des Robert Koch-Instituts erkrankten 2012 bundesweit rund 4600 Frauen, etwa 1600 starben. Vor 30 Jahren waren es noch mehr als doppelt so viele. Der wohl wichtigste Grund für diese Abnahme liegt in der flächendeckenden Einführung des sogenannten „Pap-Abstrichs“ Anfang der 1970er Jahre. Mit der Untersuchung sollen auffällige Zellen am Gebärmutterhals möglichst früh erkannt werden.