Migräne ist häufig mit einer Überempfindlichkeit gegenüber Lichtreizen verbunden. Ein Forscherteam der Medizinischen Universität Wien untersucht nun in einer Studie neue Therapieansätze. Dabei soll die Frage geklärt werden, ob die bisher propagierte Vermeidung von Lichtreizen die richtige Strategie ist – oder möglicherweise eine gezielte Lichtexposition langfristig wirksamer ist.
Besonders die Lichtempfindlichkeit ist für Migränepatienten häufig belastend. Die Betroffenen sind in ihrem Alltag erheblich eingeschränkt: Oft wird schon normales Tageslicht als unerträglich empfunden, mit dem Ergebnis, dass sich Migräne-Erkrankte während einer Attacke in dunkle Räume zurückziehen. Auch zwischen den Attacken vermeiden viele Patienten Licht, welches als Auslöser für Kopfschmerzen gilt. Eine solche Vermeidungsstrategie zählt bis dato auch zu den ärztlichen Empfehlungen für den Umgang mit Migräne.
Inzwischen wird jedoch vermutet, dass die Vermeidung von Licht nachteilig ist und die Photophobie sogar verstärken kann. Die Wiener Wissenschaftler versuchen daher, andere Wege für den Umgang mit der Lichtempfindlichkeit zu finden. Eine Pilotstudie gab Hinweise darauf, dass die gegenteilige Strategie möglicherweise erfolgversprechender ist: Nicht das Vermeiden von Licht, sondern die Desensibilisierung des Gehirns gegenüber Lichtreizen könnte die Beschwerden der Patienten nachhaltig lindern. Für die Untersuchung durchliefen die Betroffenen einwöchige Trainings, in denen sich das Gehirn durch „Flackerlicht“ an helles oder normales Licht gewöhnen soll.
Das aktuelle Forschungsprojekt soll nun die ersten Erkenntnisse untermauern, hoffen die Wissenschaftler. In der Studie werden beide Herangehensweisen – Lichtexposition und Lichtentzug – an Migränepatienten und an Personen ohne Migräne untersucht und die Effekte mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT) sichtbar gemacht. Anhand der so erfassten Daten soll dann ermittelt werden, wie beide Methoden die Entzündungsreaktionen in der Hirnhaut beeinflussen und welche Strategie erfolgversprechender ist.
Jeder Studienteilnehmer soll im Abstand von drei Monaten beide Therapieformen durchlaufen. Damit wollen die Wissenschaftler schnell vergleichen, in welche Richtung die Effekte gehen und wie sich die Gehirnaktivitäten von gesunden Personen unterscheiden. Noch sei unklar, ob das Gehirn durch Desensibilisierung wirklich weniger empfindlich wird, betonen die Forscher. Sollte sich die Vermutung bestätigen, könne dies ein völlig neuer Therapieansatz werden.
Über Migräne sind in den vergangenen Jahren viele Erkenntnisse gewonnen worden. Die Krankheit ist genetisch bedingt und geht mit Funktionsänderungen im Nervensystem einher. Impulse aus Gehirnrinde, Hirnstamm und Gesichtsnerven führen zu einer Entzündungsreaktion in der Hirnhaut. Diese ruft die typischen Symptome der Migräne hervor. Die Frage, wann und wodurch eine Migräne-Attacke ausgelöst werden kann, ist aber nach wie vor nicht beantwortet.
Migräne ist eine häufige, belastende, chronisch wiederkehrende Erkrankung. Etwa 10 Prozent der Erwachsenen sind von Migräne betroffen, Frauen häufiger als Männer, aber auch Kinder und Jugendliche sind mit wiederkehrenden Migräneattacken konfrontiert. In der „Global Burden of Disease Study“ der Weltgesundheitsorganisation liegt Migräne, was die weltweite krankheitsbedingte Belastung betrifft, unter mehr als 300 Erkrankungen an sechster Stelle.
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