Kontaktallergie bei Freestyle Libre APOTHEKE ADHOC, 03.12.2018 13:43 Uhr
Hautreaktionen wegen Glucose-Messsystem: Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) informiert über Kontaktallergien bei der Verwendung von Freestyle Libre. Vermutlich ist der Sensor selbst der Auslöser verzögerter Hautreaktionen.
Bei Freestyle Libre tragen Patienten einen Sensor an der Rückseite des Oberarmes, der über ein etwa fünf Millimeter langes Sensorfilament kontinuierlich Messungen im Zellzwischenwasser des Unterhautfettgewebes vornimmt. Tag und Nacht werden Werte ermittelt, etwa alle 15 Minuten aktualisiert sich dabei der Sensor. Das System wird daher Flash Glucose Monitoring (FGM) genannt – in Abgrenzung zu Continuous Glucose Monitoring Systemen (CGMS): Real-Time-Messgeräte wie Freestyle Navigator, Dexcom G4 und G5 sowie Medtronic Enlite und Guardian schlagen sogar Alarm, wenn der Zuckerspiegel außer Kontrolle gerät. Freestyle Libre wurde 2014 eingeführt und ist inzwischen in etwa 23 Ländern erhältlich.
Der Einwegsensor kann etwa 14 Tage getragen und mit einer Klebefolie fixiert werden. Die AkdÄ hat bislang fünf Meldungen zu allergischen Hautreaktionen im Bereich unter dem Einwegsensor erhalten. Die Betroffenen mussten die Anwendung abbrechen. Laut Gebrauchsinformation können einige Nutzer auf die Klebefolie empfindlich reagieren. Doch in den dokumentierten Fällen scheint die Fixierfolie nicht die Ursache zu sein.
Ein Dermatolgenteam aus Belgien und Schweden hat die Hautreaktionen bei 15 Patienten untersucht. Ein Allergietest hatte gezeigt, dass die Reaktionen womöglich auf Isobornylacrylat (IBOA) zurückzuführen sind. Die Substanz findet bei Klebstoffen Anwendung. Das Team vermutet jedoch, dass IBOA in den Klebern enthalten ist, die die einzelnen Plastikkomponenten des Sensors zusammenhalten. Die Vermutung untermauern Erfahrungsberichte von Betroffenen, die keine Besserung der Hautreaktion verspürten, als die Klebefolie zur Befestigung weggelassen beziehungsweise ausgetauscht wurde. „In Analysen des Sensors konnte IBOA in allen untersuchten Bestandteilen in unterschiedlichen Konzentrationen (Gaschromatographie mit Massenspektrometrie-Kopplung) nachgewiesen werden“, schreibt die AkdÄ. „Auch bei drei Patienten aus Deutschland mit Ekzemreaktionen nach Kontakt mit FreeStyle Libre wurde IBOA als Sensibilisator nachgewiesen.“
Bemerken Patienten Hautreaktionen an der Applikationsstelle, die auf eine Kontaktallergie hinweisen, muss die Anwendung beendet werden, schreibt die AdkÄ. Zur Diagnosestellung sollen Mediziner einen Epikutantest mit IBOA 0,1 % pet. durchführen. „Die Lösung sollte vom Hersteller des Sensors zur Verfügung gestellt werden.“
Der Hersteller Abbott soll sich der AkdÄ zufolge „nur sehr zurückhaltend an der Aufklärung der Hautreaktionen beteiligt“ haben. Bestandteile des Sensors sollen gegenüber dem schwedisch-belgischen Dermatologenteam nicht preisgegeben worden sein, „sodass die ursächliche Chemikalie erst mittels aufwändiger chemischer Analyse durch die schwedische Arbeitsgruppe ermittelt werden musste“. Der Hersteller sollte sich eigentlich aktiv an der Aufklärung beteiligen, und „daran arbeiten, zum Schutz der Patienten IBOA im Sensor gegen eine weniger allergene Substanz zu ersetzen“.
Kontaktallergien sind weit verbreitet und können unterschiedliche Ursachen haben. Die Folge können Kontaktekzeme sein, sie machen etwa 27 Prozent aller Hautekzeme aus.Der wohl bekannteste und häufigste Auslöser einer allergischen Kontaktdermatitis ist Nickel. Die Kontaktallergie wird als Spättypreaktion bezeichnet, denn die ersten Symptome treten meist erst nach etwa 12 bis 24 Stunden auf. Diese verzögerte Reaktion hat ihren Ursprung in einer Sensibilisierungsphase, in der der Betroffene mit dem Allergen in Kontakt kommt und im Körper unbemerkt eine Aktivierung von spezifischen T-Zellen in den Lymphknoten stattfindet. Bei erneutem Kontakt können die Zellen aktiviert werden und lösen die spürbare Enzymreaktion aus. Es kommt zu Rötung, Juckreiz, Schwellung oder Bläschenbildung. Die Allergie vom Typ IV kann auch noch viele Jahre nach der Sensibilisierungsphase auftreten.