Patienten mit Multipler Sklerose (MS) könnten bald auf ein weiteres oral einzunehmendes Präparat zurückgreifen. Das Pharmaunternehmen Biogen Idec steht mit seinem Fumarsäure-Präparat BG-12 (Dimethylfumarat) in den Startlöchern. Der Zulassungsantrag wurde bereits bei der US-Arzneimittelbehörde FDA und der europäischen Arzneimittelbehörde EMA im Februar eingereicht. In mehreren Studien konnte die Wirksamkeit von BG-12 gezeigt werden.
So hatten in einer klinischen Studie 1234 Patienten entweder Placebo oder zwei bis drei mal täglich 240 Milligramm BG-12 erhalten. Die Teilnehmer waren zwischen 18 und 55 Jahre alt. Während der zweijährigen Studie war das Auftreten von Krankheitsschüben untersucht worden: In der Placebo-Gruppe hatten 46 Prozent der Patienten einen Krankheitsschub erlitten. In der Verumgruppe waren es 27 Prozent nach zweimal täglicher Einnahme von BG-12 und 26 Prozent nach dreimal täglicher Einnahme. Die jährliche Schubrate war gegenüber der Placebo-Gruppe um die Hälfte reduziert und lag je nach Dosierung bei 0,17 und 0,19. In der Placebo-Gruppe lag sie hingegen bei 0,36.
Zusätzlich wurde die protektive Wirkung der Fumarsäure auf die Nervenzellen mittels Magnetresonanztomographie (MRT) untersucht. Bei 540 Patienten, die entweder mit BG-12 oder Placebo behandelt worden waren, verringerte sich die Anzahl neuer Läsionen mit BG-12 gegenüber Placebo um 73 bis 90 Prozent. Nach zwei Jahren waren 93 Prozent der Patienten, die zweimal täglich BG-12 eingenommen hatten, frei von Läsionen. Bei dreimal täglicher Einnahme waren es 86 Prozent. In der Placebo-Gruppe waren nur 62 Prozent frei von neuen Nervenschädigungen.
In einer weiteren Studie wurde das Fumarsäure-Präparat mit Glatirameracetat verglichen. 1430 Patienten hatten auch in dieser Studie zwei- oder dreimal täglich BG-12, Glatirameracetat oder Placebo erhalten. Hier lag die jährliche Schubrate bei den mit Glatirameracetat behandelten Patienten bei 0,29. In der Placebo-Gruppe lag die Schubrate dagegen bei 0,40. Bei Patienten, die zwei- oder dreimal täglich Fumarsäure eingenommen hatten, lag die Schubrate bei 0,22 beziehungsweise 0,20. Allerdings unterschied sich die neuroprotektive Wirkung zwischen BG-12 und Glatirameracetat nicht signifikant.
Meist müssen MS-Therapeutika wie Interferone und Glatirameracatet subkutan gespritzt werden. Zwar ist seit März 2011 die orale Medikation mit Gilenya (Fingolimod, Novartis) auf dem Markt, allerdings sind die Kapseln nur für Patienten mit schwerem Krankheitsverlauf indiziert. Weitere Konkurrenz gibt es bereits in den USA: Seit Mitte September hat Sanofi eine Zulassung für die MS-Tablette Aubagio (Teriflunomid).
Dimethylfumarat wird auch zur Behandlung von Psoriasis eingesetzt. Biogen Idec hat mit Fumaderm seit 1994 ein entsprechendes Präparat auf dem Markt. Bei der Behandlung von Psoriasis-Patienten wurde zufällig auch der positive Effekt des Wirkstoffs bei MS-Patienten festgestellt. Außerdem wird Dimethylfumarat als Biozid zur Behandlung von Kleidung, Möbeln und Schuhen angewendet. Allerdings wurde der Einsatz wegen der allergisierenden Wirkung der Substanz in der EU verboten.
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