Kommentar

Kinderimpfung greift zu kurz

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Berlin -

Um die Impfmoral in Deutschland ist es nicht sonderlich gut bestellt. Auch in Apotheken taucht die Diskussion auf, ob Eltern die empfohlenen Immunisierungen für ihre Kinder tatsächlich durchführen lassen sollen, oder ob man den Kleinen nicht zu viel zumutet. Der jüngste Masernausbruch in Berlin zeigt aber, dass die „klassische“ Impfdiskussion zu kurz greift. Nicht nur der Nachwuchs muss geschützt werden – gerade in der Vorgänger-Generation zeigen sich die eigentlich gefährlichen Impflücken.

Im zweiten Jahr in Folge gerät ein Masern-Ausbruch in die Schlagzeilen. In Berlin sind bislang bereits mehr als 50 Erkrankungen gemeldet worden – das Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) berichtet, dass erneut zum Großteil sind Erwachsene ohne Impfschutz betroffen sind – im Durchschnitt liegt das Alter der Erkrankten bei 29 Jahren.

Es ist zu erwarten, dass die Infektion sich weiter ausbreitet. Die heutige Mobilität insbesondere von jungen Erwachsenen macht die Kontrolle darüber nahezu unmöglich. Bisher mussten 16 Masern-Patienten in einer Klinik behandelt werden. Auch bei Menschen in Brandenburg, Hessen und Thüringen sind bereits Masern-Fälle von Personen bekannt geworden, die sich in Berlin angesteckt hätten.

Der Infektionsherd kommt aus dem Ausland. Während bei dem Ausbruch 2014/2015 ein Zusammenhang mit infizierten Flüchtlingen postuliert wurde, ist die Lage dieses Mal anders: Ein Tourist aus Südost-Asien hat nach derzeitigen Erkenntnissen das Virus eingeschleppt – und in einem Berliner Hotel weitere nicht ausreichend geimpfte Menschen infiziert.

Beide Fälle zeigen: Wir können uns nicht davor schützen, dass das Masern-Virus in Deutschland auftaucht. Ob Flüchtlinge oder Touristen – die unerwünschten Erreger finden ihren Weg auch zu uns. Dennoch werden Masern von Impfskeptikern noch immer verharmlost. Selbst der Todesfall in Deutschland aus dem vergangenen Jahr oder Zahlen von jährlich mehr als 100.000 Masern-Toten weltweit scheint nicht zu beeindrucken, solange man selbst – oder das eigene Kind – nicht betroffen ist. Dass eine Masern-Infektion mit Lebensgefahr verbunden ist, ist bis heute bei vielen nicht angekommen.

Mehr noch: Die Impfrate bei Kindern ist zwar vergleichsweise hoch – wenn auch immer noch deutlich unter den angestrebten 95 Prozent. Die aktuellen Fälle zeigen jedoch, dass die eigentlichen Gefahrenherde aber Erwachsene sind. Wer einmal das Erwachsenenalter erreicht hat, denkt an die vermeintlichen Kinderkrankheiten zunächst nicht mehr. Wenn überhaupt, wird gegen Tetanus oder Grippe geimpft, allenfalls noch gegen die eher exotischen Krankheiten vor Fernreisen. Aber Masern, Mumps und Röteln? Fehlanzeige.

Da ist ein Lerneffekt notwendig. Ungeimpfte Erwachsene mögen mit Viren aufgrund des stabileren Immunsystems besser zurechtkommen als ungeimpfte Kinder. Im Licht der öffentlichen Gesundheit sind es aber vor allem die Menschen mit der höchsten Mobilität, die die Erreger verbreiten und andere anstecken können, die keine Chance auf eine Immunisierung haben: Schwangere, Säuglinge und Kleinkinder, immunsupprimierte Patienten. Vielen ist aber gar nicht bewusst, dass auch sie sich schützen können – und dies dringend tun sollten. Hier ist Aufklärung dringend notwendig.

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