Herpesviren begleiten den Menschen seit Millionen von Jahren. Wenn eine Infektion stattgefunden hat, verbleiben die Viren ein Leben lang im Körper. Über einen neuen Abwehrmechanismus des Immunsystems berichten nun Wissenschaftler um Dr. Florian Full und Professor Dr. Armin Ensser vom Virologischen Institut des Universitätsklinikums Erlangen in Zusammenarbeit mit US-Forschern der University of Chicago im Fachjournal „Nature Microbiology”.
Zu den acht bekannten menschlichen Herpesviren gehören unter anderen das Herpes-simplex-Virus, das die Bläschen im Mundbereich verursacht, das Varizella-Zoster-Virus, das Windpocken und Gürtelrose hervorruft, und das Epstein-Barr-Virus, das das Pfeiffersche Drüsenfieber auslöst und zudem an der Entstehung zahlreicher Krebserkrankungen beteiligt ist.
Ein Organismus mit einem intakten Immunsystem kontrolliert die in den Organismus eintretenden Viren durch Bildung von Antikörpern. Haben Herpesviren einen Menschen infiziert, bleiben sie lebenslang im Körper und werden unter bestimmten Bedingungen reaktiviert. Ist das Abwehrsystem beispielsweise infolge von Erkältungskrankheiten, starker Sonneneinstrahlung oder auch seelischem Stress geschwächt, kommt es zur explosionsartigen Virusvermehrung in den tieferen Gewebsschichten der Lippe und Grenzen der Schleimhäute. Aber auch durch die Einnahme von Medikamenten wie Immunsuppressiva kann das Abwehrsystem lahm gelegt werden.
Deshalb haben immunschwache Patienten Schwierigkeiten, die Viren unter Kontrolle zu halten. Mögliche Folgen sind Abstoßungsreaktionen und schweren Organschädigungen, in bestimmten Fällen kann es sogar zum Tod führen. Um diesen und anderen Risiken von Herpesviren entgegenzuwirken, sind Wissenschaftler des Virologischen Instituts des Universitätsklinikums Erlangen seit einigen Jahren auf der Suche nach körpereigenen Proteinen, die die Viren in den Griff bekommen können. „Wir interessieren uns für die sogenannte intrinsische Immunantwort, also Eiweißmoleküle, die die Vermehrung von Viren direkt in den Zellen verhindern können“, erklärt Full.
Gesucht, gefunden: Die Arbeitsgruppe konnte die sogenannten TRIM („tripartite motif“)-Proteine ausfindig machen. Das sind Eiweißmoleküle, die andere Proteine binden und deren Abbau veranlassen können. Den Studienergebnissen zufolge ruft TRIM43 den Abbau eines anderen zellulären Proteins namens Perizentrin hervor. Der Abbau von Perizentrin führt zu Veränderungen in der Architektur des Zellkerns und hemmt so die Vermehrung der Herpesviren.
Die Wissenschaftler stellten fest, dass Zellen nach einer Infektion mit Herpesviren sehr große Mengen von TRIM43 herstellen. „In normalen Zellen ist TRIM43 fast nicht nachweisbar, aber nach einer Virusinfektion ist die Zelle voll mit dem Protein“, so Full. Bei ihrer Analyse griffen sie auf Proben von Patienten mit Atemwegserkrankungen zurück, bei denen die Ärzte beispielsweise einen Verdacht auf eine Lungenentzündung hatten. Laut Ensser kann bei solchen Patienten oft eine Reaktivierung von Herpesviren beobachtet werden. TRIM43 war gegen alle in der Studie getesteten Herpesviren aktiv.
Die Produktion von TRIM43 als Antwort auf eine Virusinfektion soll abhängig von dem Gen DUX4 sein, wie die Forscher berichten. Das Gen ist normalerweise nur in der ganz frühen Embryonalentwicklung aktiv. Seine Rolle soll nun in neuem Forschungsprojekt der Klinik geklärt werden. Die Wissenschaftler konnten weiterhin zeigen, dass ein Anstieg des TRIM43-Proteins auch in Patientenproben mit akuter Herpesvirusinfektion und sogar in Tumorzellen, die ein Herpesvirus tragen, nachweisbar ist. „Das beweist, dass TRIM43 bei der Infektion im Menschen eine Rolle spielt, und weckt die Hoffnung, dass es möglich sein könnte, auf Basis der Ergebnisse neue Therapien gegen Herpesviren zu entwickeln“, so Full.
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