So laufen Medikamententests ab dpa, 16.03.2017 12:47 Uhr
„Teilnehmer für eine klinische Studie gesucht!“, heißt es auf einem Plakat in der U-Bahn. Melden sollen sich Menschen im Alter von 18 bis 65 Jahren, die eine medizinische Hautcreme gegen Nagelpilz ausprobieren möchten. Wer mitmacht, bekommt im Gegenzug eine Entlohnung. Das klingt nach leicht verdientem Geld. Auch in Anzeigenblättern finden sich solche Inserate – nicht nur für Medikamententests, manchmal werden auch Probanden gesucht, die zum Beispiel mit Yoga Rückenschmerzen bekämpfen.
Finanziell kann sich die Teilnahme lohnen. Wenn die Studie mehrere Wochen oder gar Monate dauert und den Alltag der Testpersonen auf den Kopf stellt, springen schon mal ein paar tausend Euro heraus. Allerdings: „Das Geld ist kein Einkommensersatz, sondern eine Aufwandsentschädigung“, sagt Jens Peters vom Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI). Einen regulären Job sollte die Teilnahme an Studien also nicht ersetzen.
Warum sollte man sich dann als Versuchskaninchen melden? „Wer das macht, trägt dazu bei, die medizinische Versorgung weiter zu verbessern“, sagt Peters. Gegen manche Erkrankungen wie Krebs gibt es noch immer kein wirksames Mittel. Hunderttausende hoffen auf neue Medikamente. Damit ein Präparat auf den Markt gebracht werden kann, muss es vorher nicht nur im Labor oder Tierversuch, sondern auch am Menschen erprobt werden. Auf dem Prüfstand steht vor allem die Wirkung, aber auch die Verträglichkeit des neuen Mittels.
Der Begriff klinische Studie ist allerdings etwas irreführend. „Sie finden nicht zwingend immer in einer Klinik statt“, erklärt Christoph Kranich von der Verbraucherzentrale Hamburg. Die Studien werden auch ambulant durchgeführt – das heißt, die Testperson geht zwischen den Tests ganz normal nach Hause und zur Arbeit.
Klinische Studien durchlaufen vier Phasen. In Phase eins werden Wirkung und Verträglichkeit in der Regel an Gesunden oder ausgewählten Kranken erprobt. Sie heißen dann Probanden. In Phase zwei folgt ein Test zur Wirksamkeit im Vergleich zu bewährten Präparaten oder Placebos, also Medikamenten ohne Wirkstoff. In Phase drei steht das Verhältnis von Nutzen und Risiko bei einer größeren Zahl von Erkrankten im Mittelpunkt. Außerdem wird die richtige Dosierung ausgelotet. In Phase vier ist die Zulassung bereits beantragt. Jetzt wird beobachtet, welche Nebenwirkungen die Mittel bei der Anwendung im Alltag haben und ob es Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten gibt.
„Die Sicherheit der Teilnehmer steht an erster Stelle“, betont Peters. Dennoch kann niemand ausschließen, dass Nebenwirkungen auftreten. Um herauszufinden, ob es welche gibt, werden die Tests ja gemacht. Jede einzelne Klinische Studie muss aber vorher genehmigt werden – entweder vom Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte oder vom Paul-Ehrlich-Institut. Beide Behörden unterstehen dem Bundesgesundheitsministerium.
„Es kann nicht einfach irgendeine Substanz in einer klinischen Studie getestet werden“, erklärt ein Sprecher des Bundesforschungsministeriums. Das Mittel muss sich zuvor zum Beispiel im Labor als sicher bewährt haben. Das muss ein Pharmaunternehmen gegenüber der Behörde nachweisen. Gesetzlich vorgeschrieben ist auch, dass eine Ethikkommission der Studie zustimmt. Das Gremium setzt sich nicht nur aus Medizinern, sondern auch aus Juristen und Theologen zusammen. Sie prüfen, ob der Nutzen des Wirkstoffs ein mögliches Risiko für den Studienteilnehmer übersteigt.
Sollte es dennoch zu einem Problem – zum Beispiel einer heftigen unerwünschten Nebenwirkung – kommen, hat der Teilnehmer Anspruch auf eine finanzielle Entschädigung. Nach dem Arzneimittelgesetz muss jeder Auftraggeber einer klinischen Studie eine Patientenversicherung abschließen. Sie zahlt, wenn ein Teilnehmer einen Schaden erleidet.
Wer an einer klinischen Studie teilnehmen möchte, sollte das mit seinem Haus- oder Facharzt besprechen, rät Peters. Wenn er keine Einwände hat, steht einer Kontaktaufnahme mit der Klinik oder der Firma, die im Auftrag eines Pharmaunternehmens die Studie organisiert, nichts im Wege. „Man sollte sich verständlich abgefasste Informationen über die geplante Studie geben lassen“, empfiehlt Kranich. Auch sollten Interessierte fragen, wer der Auftraggeber ist und welche Behörde und welche Ethikkommission grünes Licht für die Studie gegeben hat.
Keinesfalls sollte man sich bei einem ersten Informationsgespräch dazu drängen lassen, gleich eine Einwilligungs-Erklärung oder einen Vertrag zu unterschreiben. „Die Entscheidung muss gut überlegt sein“, so Kranich.
Bevor es schließlich losgeht, findet ein umfassender Gesundheitscheck statt – mit einer Blut- und Urinuntersuchung, einem EKG und einer Blutdruckmessung. «Damit wird ausgelotet, ob der oder die Untersuchte wirklich tauglich für die Studie ist», erklärt Peters. Die Ergebnisse können auch dazu führen, dass jemand von einer Studie ausgeschlossen wird. Das kann passieren, wenn der oder die Betroffene Drogen nimmt oder schwanger ist.