Kita- oder Schulstudien zum Thema „Kinder und Covid-19“ fehlen bislang. Aktuell gibt es nur wenige Testergebnisse von Minderjährigen im Vergleich zur Gesamtzahl aller Testungen. Was man bisher weiß: Kinder erkranken oft symptomlos. Virologen der Berliner Charité vermuten nun, dass Kinder genauso ansteckend sein können wie Erwachsene. Im kindlichen Rachen war die Viruskonzentration mitunter gleich hoch wie im Rachen von Erwachsenen.
Die Wissenschaftler der Abteilung für Virologie der Berliner Charité wollten wissen, wie infektiös Kinder sind, die an Covid-19 erkrankt waren. Noch immer ist nicht geklärt, ob eine Person, die nur leichte Symptome hat, auch weniger ansteckend für andere ist. Da Kinder häufig symptomlos erkranken, ging man zunächst davon aus, dass sie kaum bis gar nicht ansteckend sind. Einige Wissenschaftler und Mediziner vermuteten, dass die Kinder, die Husten und andere Symptome zeigen, auch mehr Virus im Rachen hatten, als die Kinder ohne Symptome. Diese Annahme konnte nun widerlegt werden: „Es ist gerade andersherum, also die kranken Kinder, die haben eher weniger Viruskonzentration als die Gesunden“, erklärt Professor Dr. Christian Drosten. Seine Erklärung: Das Virus wandert mit der Zeit in die unteren Atemwege. „Wer Symptome hat und irgendwann getestet wird, ist tendenziell schon einige Tage in der Krankheit drin, sodass die Viruskonzentration da schon wieder auf dem absteigenden Ast ist.“
Höchstwahrscheinlich sind Kinder, genauso wie Erwachsene, nach einer Woche kaum bis gar nicht mehr ansteckend. Am infektiösesten sind Menschen bis zum vierten Tag nach der Infektion, in dieser Zeit treten auch bei den Erwachsenen kaum Symptome auf. In der Konsequenz haben die Virologen ein Schriftstück aufgesetzt, indem sie eine vollständige Öffnung von Kindergärten und Schulen als riskant ansehen. Drosten sieht einen Vorteil in der Symptomfreiheit: Wenn die Kinder weniger Husten, dann gelangt auch weniger Virus über den Luftausstoß in die Umgebung. Generell sei das Lungenvolumen von Kindern auch kleiner – beim Ausatmen werden weniger Viren abgegeben.
Studien aus Shanghai und Wuhan untersuchten überdies, ob Kinder genauso häufig erkranken wie Erwachsene. Hierfür wurden Kontaktuntersuchungen von Patientengruppen verschiedener Altersstufen zusammengefasst. Im Ergebnis konnte gezeigt werden, dass es zwischen Kindern und Erwachsenen nicht all zu große Unterschiede gab: „Im Ergebnis kann man sagen: 6,2 Prozent der Kinder haben sich infiziert an einem Indexpatienten. 8,6 Prozent der Erwachsenen haben sich infiziert an einem Indexpatienten.“ Bei den älteren Personen war dieser Wert höher, berichtet Drosten, mit 16,3 Prozent könnte man hier von einer deutlich erhöhten Infektionsrate reden. Um definitive Aussagen machen zu können, müssen diese Werte noch bereinigt werden, um die Kontaktwahrscheinlichkeit des jeweiligen Patienten beispielsweise, sodass sich am Ende eine geringere Ansteckungswahrscheinlichkeit für Kinder ergibt: „Ein Erwachsener infiziert sich – da hat ein Kind nur ein Drittel des Risikos, sich an der gleichen Quelle zu infizieren. Und was auch dazugesagt wird, ist, jemand im Ruhestandsalter über 65 Jahren hat ein Risiko von 1,5, also ein anderthalbmal so hohes Risiko, sich zu infizieren", fasst Drosten kurz zusammen.
Um die Virusverbreitung einzudämmen, herrscht bundesweit im ÖPNV und im Einzelhandel Maskenpflicht. In den meisten Bundesländern gilt dies auch für Kinder ab sechs Jahren. Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) hält das Tragen einer Maske im öffentlichen Raum für Kinder ab dem Grundschulalter für zumut- und umsetzbar – auch für längere Zeiträume, insofern sie in individueller Begleitung von Eltern oder Bezugspersonen sind. Eine Maskenpflicht für Kinder in Kita, Kindergarten, Schule oder Notbetreuung, die immer wieder in die Diskussion eingebracht wird, hält die DGKJ für Kita und Kindergarten hingegen definitiv nicht umsetzbar: „Es ist ein großer Unterschied, ob es um das zeitlich begrenzte Tragen von Masken beim Einkaufen oder in der Straßenbahn in Begleitung der Eltern geht, oder über das Tragen im ‚öffentlichen Raum‘ von Schulen, Kindergarten etc. mit Gruppenbetreuung.“
Das Tragen sei sicherlich auch bei kleineren Kindern möglich. Beim Besuch von Risikobereichen wie beispielsweise Ambulanzbesuchen in Krankenhäusern sollte es daher auch umgesetzt werden. „Insofern würde in der Altersgruppe darunter, das heißt vor dem Grundschulalter, dann eine Kann-Empfehlung vernünftig erscheinen, mit insgesamt sicher jeweils etwas offenen Grenzen nach oben und unten, je nach Reife des Kindes“, erläutert die DGKJ. Zudem weist sie auf den erhöhten Atemwegswiderstand beim Tragen von Atemschutzmasken hin: Vor allem bei Kindern mit akuten oder chronischen Erkrankungen der Atemwege oder des Herzkreislaufsystems kann es zu Atemnot oder Anstrengungen bei der Ein-oder Ausatmung kommen. Dicht sitzende FFP-2-Masken seien problematisch – „für die Anwendung dieser speziellen Masken beim Kind gibt es nach unserer Einschätzung ohnehin keine Indikation“. Säuglinge sollten zur Prävention des plötzlichen Kindstodes generell keine Masken tragen.
Bislang galten Kinder als eine Gruppe, die nahezu symptomlos an Covid-19 erkrankt und keine Risikogruppe darstellt. Nun häufen sich Berichte zu einer „neuartigen Erkrankung“ bei Kindern, die dem Kawasaki-Syndrom ähnelt und in Zusammenhang mit Covid-19 stehen könnte. Erstmals liegen auch Berichte aus Deutschland vor. An einer Dresdener Klinik wurden zwei Fälle dieser Art gemeldet. Die Kinder leiden unter schweren generalisierten Entzündungen. Neben Gefäßentzündungen treten auch Fieber und Verdauungsbeschwerden auf. Mediziner diskutieren, ob es sich bei dem Krankheitsverlauf um eine überschießende Immunreaktion des kindlichen Organismus als Spätfolge auf Covid-19 handelt.
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