Kinder bekommen zu viele Breitband-Antibiotika Sandra Piontek, 29.01.2024 14:08 Uhr
Mit einer schnellen Antibiose können pathogene Keime eliminiert werden. Häufig kommen dabei Breitbandantibiotika zum Einsatz, wenn die Erreger noch nicht ausreichend differenziert sind. Bekannte Wirkstoffe sind beispielsweise Amoxicillin, Doxycyclin oder Ciprofloxacin. Vergleicht man die Anzahl der Anwendungen dieser Arzneistoffe in Deutschland mit denen in Dänemark, gibt es einen signifikanten Unterschied: Hierzulande werden Kleinkinder etwa sechsmal häufiger damit behandelt, wenn sie zum ersten Mal in ihrem Leben ambulante Antibiotika erhalten.
Während in Deutschland etwa 40 Prozent der Kleinkinder mit Breitbandantibiotika behandelt werden, kommen diese in Dänemark nur in 6 Prozent der Fälle zum Einsatz. Der Einsatzhäufigkeit wirkt sich auf die Resistenzbildung der Erreger aus, demnach hat diese Diskrepanz potenziell schwerwiegende Folgen. Eine Studie des Leibniz-Instituts für Präventionsforschung und Epidemiologie (BIPS) in Bremen und der Süddänischen Universität in Odense zeigte die Unterschiede der beiden Länder auf. Die Ergebnisse der Studie wurden in der Fachzeitschrift „Infectious Diseases and Therapy“ veröffentlicht.
Grundlage für den Vergleich waren Daten aus dänischen Gesundheitsregistern sowie deutscher Krankenkassen. Im Fokus: Kinder, die zwischen 2004 und 2016 geboren wurden.Dabei trügt der erste Schein, denn: „Im Geburtsjahrgang 2016 betrug die Zeit bis zur ersten Antibiotikaverschreibung in Dänemark etwa 21 Monate, während sie in Deutschland bei etwa 28 Monaten lag. Die Rate der Antibiotikabehandlungen pro 1000 Personenjahre betrug 537 in Dänemark und 433 in Deutschland“, so die Wissenschaftler:innen. Dies weise zunächst auf ein zurückhaltenderes Verschreibungsverhalten in Deutschland hin, so Dr. Oliver Scholle, Erstautor der Studie und wissenschaftlicher Mitarbeiter am BIPS.
Besorgniserregende Anwendungen
Aber: „Besorgniserregend ist allerdings, dass etwa 40 Prozent der Kleinkinder in Deutschland Breitbandantibiotika als erstes Antibiotikum in ihrem Leben erhalten, während es in Dänemark nur 6 Prozent sind. Dies ist im Hinblick auf Nebenwirkungen und Resistenzen sehr bedenklich.“ Denn anders als bei sogenannten Schmalspektrum-Antibiotika weisen breiter wirksame Antibiotika ein höheres Risiko auf, Resistenzen zu fördern.
Es gebe deutliches Verbesserungspotenzial: „Im Vergleich der Geburtsjahrgänge von 2004 bis 2016 zeigte die Studie in beiden Ländern zwar auch positive Veränderungen bei Antibiotikaverschreibungen über die Zeit – wie beispielsweise einen Anstieg des Alters bei Erstverschreibung und einen Rückgang der Verschreibungshäufigkeit – doch gibt es eindeutig noch Raum für Verbesserungen“, so die Wissenschaftler:innen. Vor allem gelte dies in Deutschland für die Art der verordneten Antibiotika.
Der Ländervergleich erwies sich als besonders wertvoll: „Da man davon ausgehen kann, dass sich das Infektionsgeschehen zwischen beiden Ländern nicht grundlegend unterscheidet, lassen die Ergebnisse Ansatzpunkte zur Verbesserung des Verschreibungsverhaltens erkennen. Den verantwortungsvollen Einsatz von Antibiotika insgesamt und von Breitbandantibiotika gilt es sicherzustellen, um das Auftreten von Nebenwirkungen und die Entwicklung von Antibiotikaresistenzen zu minimieren“, so Dr. Ulrike Haug, Letztautorin der Studie und Leiterin der Abteilung Klinische Epidemiologie am BIPS.