Kijimea Reizdarm Pro: Inaktiviert ist besser Cynthia Möthrath, 27.06.2020 08:51 Uhr
Das Reizdarm-Syndrom (RDS) hat sich zu einer regelrechten Volkskrankheit entwickelt – allein in Deutschland leiden bis zu 11 Millionen Menschen unter den Symptomen. Häufig werden zur Behandlung verschiedene Bakterienstämme eingesetzt. Die Firma Synformulas hat nun das Kijimea-Portfolio erweitert: Kijimea Reizdarm Pro enthält einen einzigartigen, hitzeinaktivierten Bakterienstamm, der die Beschwerden lindern kann – gleichzeitig soll die neue Formulierung weitere Vorteile im Gegensatz zu Präparaten mit lebenden Bakterien aufweisen. Die Wirkung des Präparats wurde in einer großen Studie untersucht, die Ergebnisse wurden kürzlich im Fachjournal „The Lancet Gastroenterology & Hepatology“ vorgestellt.
Eine der häufigsten Therapieoptionen des Reizdarms ist die probatorische Therapie, welche 2011 in die S3-Leitlinie aufgenommen wurde. Doch Probiotikum ist nicht gleich Probiotikum: Denn die einzelnen Bakterienstämme können unterschiedlich wirken, das gilt auch für nah verwandte Stämme. Die Rede ist von der sogenannten „Stammspezifität“. Viele auf dem Markt befindliche Produkte würden über keine klinische Evidenz verfügen, erklärt Prof. Dr. Joachim Labenz, Medizinischer Direktor des Diakonie Klinikums Jung-Stilling in Siegen. Bei einigen Präparaten liegt sie zwar vor – jedoch nur für einzelne Symptome oder Reizdarmtypen.
Weiterentwicklung des Klassikers
Das neue Kijimea Reizdarm Pro ist eine Weiterentwicklung des Klassikers Kijimea Reizdarm: Es enthält den bereits bekannten Bakterienstamm B. bifidum HI-MIMBb75 – allerdings in einer hitzeinaktivierten Form, welcher 40 Prozent wirksamer sein soll. Die Wirksamkeit dieses Stamms konnte für alle Reizdarmtypen und alle Leitsymptomen in zwei voneinander unabhängigen klinischen Studien belegt werden – sowohl in lebender wie auch in inaktivierter Form. Bereits 2011 stellte man fest, dass sich kein anderer Stamm so stark an die Darmwand anlegt, wie B. bifidum HI-MIMBb75. Die damals durchgeführte doppelblinde Placebostudie konnte eine signifikante Verbesserung der Symptome und der Lebensqualität zeigen.
Man geht davon aus, dass sich das Bakterium wie ein Pflaster auf die geschädigten Stellen der Darmwand legt und diese schützt. Durch die physikalische Adhäsion soll ein weiteres bakterielles Eindringen verhindert werden, die geschädigten Stellen können sich schließlich regenerieren und die typischen Beschwerden werden gelindert. Kijimea Reizdarm Pro wird nur einmal täglich eingenommen. Es wird eine Einnahmedauer von mindestens vier – besser zwölf Wochen – emfohlen. Eine erste Linderung sollte bereits nach der ersten Woche zu spüren sein.
Studienergebnisse erstmals reproduziert
Nun wurden neue Ergebnisse zum Bakterienstamm veröffentlicht: Eine multizentrische Studie, welche in über 20 Zentren in Deutschland durchgeführt wurde, konnte die bereits 2011 vorgestellten Effekte erneut belegen. „Das Bemerkenswerte an dieser Studie ist, dass der hierin untersuchte hitzeinaktivierte Bakterienstamm seine breite Anwendbarkeit über alle Leitsymptome und RDS- Subtypen hinweg unter Beweis gestellt hat. Damit konnte er die Ergebnisse einer früheren Studie, in welcher der lebende Stamm untersucht wurde, reproduzieren – ein entscheidendes Qualitätskriterium in der klinischen Forschung“, erläutert Labenz.
Von 443 Probanden mit RDS erhielten 221 Probanden acht Wochen lang Kijimea Reizdarm Pro, 222 erhielten Placebo. Bei der Auswahl der Probanden wurden gezielt alle verschiedenen RDS-Subtypen miteinbezogen. „Die Ergebnisse zeigten eine signifikante Reduktion aller RDS- Symptome [...] mit einer gleichzeitigen Verbesserung der Lebensqualität gegenüber Placebo. Dabei war die Linderung der Beschwerden bei allen Leitsymptomen und RDS-Subtypen signifikant“ erläutert Prof. Dr. Ahmed Madisch, Chefarzt des KRH Klinikums Siloah für Gastroenterologie in Hannover. Bisher habe man meist nur das Symptom behandelt, nun sei jedoch eine kausale und pathophysiologisch begründete Therapieoption verfügbar, welche in die Erstlinientherapie der Zukunft gehöre, ergänzt Labenz.
Vorteile inaktivierter Bakterien
Die Verwendung von toten Bakterien bringe zudem weitere Vorteile mit sich. Zum einen sei die Stabilität wesentlich besser: Denn lyophilisierte Bakterien können sich bei zu hoher Luftfeuchtigkeit aktivieren. Da sie jedoch keine Nahrung erhalten, sterben sie ab. Die Folge ist eine geringere Wirksamkeit des Präparats – bei hitzeinaktivierten Bakterien kann das nicht passieren. Zudem würden sich die toten Bakterien nochmals besser am Darm anlagern, als die lebenden Kulturen von B. bifidum HI-MIMBb75. Grund dafür ist eine negativere Ladung der Hülle im Vergleich zu lebenden Bakterien. Ein wesentlicher Vorteil sei zudem die Sicherheit: So kann es durch die Einnahme von inaktivierten Bakterien bei immungeschwächten Patienten beispielsweise nicht zu einer gefürchteten Sepsis kommen.
Kriterien des Reizdarm-Syndroms
Das RDS ist unter anderem durch wiederkehrende abdominelle Schmerzen, die mindestens einmal pro Woche in den vergangenen drei Monaten aufgetreten sind, definiert. Der Beginn der Beschwerden muss mindestens sechs Monate zurückliegen. Außerdem müssen mindestens zwei Symptome erfüllt sein – darunter ein Nachlassen der Schmerzen nach der Stuhlentleerung, eine Veränderung der Stuhlhäufigkeit und eine Veränderung der Stuhlkonsistenz. Hinzu kommt ein Fehlen von strukturellen Veränderungen, welche die Symptome erklären. 2016 wurden die Diagnosekriterien erweitert, auch die Beeinträchtigung der Lebensqualität spielt seitdem eine entscheidende Rolle. Patienten mit Reizdarm-Syndrom würden oft noch mehr leiden als solche mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa, erklärt Dr. Clemens Fischer, Gründer und Eigentümer von Futrue mit der Tochtergesellschaft Synformulas.
Die Ursachen für ein Reizdarm-Syndrom sind multifaktoriell: Neben Stress, Nahrungsmittelunverträglichkeiten und Medikamenteneinnahme können auch Infekte die Entstehung des sogenannten „Leaky Gut“ begünstigen. Es kommt zu einer Schädigung der „Tight Junctions“: Sie befinden sich zwischen den Darmepithelzellen und fungieren als Diffusionsbarriere. So verhindern sie das Eindringen von Schadstoffen und Bakterien in die Darmwand. Werden sie geschädigt, entstehen Mikroläsionen – Schadstoffe und pathogene Keime können dann in die Darmwand eindringen und zu Entzündungen und Reizungen führen. Die Folge sind wiederkehrende Beschwerden wie Durchfall, Bauchschmerzen und Blähungen. Die Symptome können einzeln oder auch im Wechsel auftreten, es wird grundsätzlich zwischen Durchfall-, Verstopfungs- und alternierendem Typ unterschieden. Einige Patienten können jedoch keinem der drei Typen zugeordnet werden.
Immer mehr Menschen leiden am RDS
In den vergangenen Jahren hat sich die Prävalenz für das Reizdarmsyndrom maßgeblich erhöht: Im Vergleich zum Jahr 2005 ist die Diagnose-Häufigkeit in allen Altersgruppen um etwa 30 Prozent angestiegen, bei jungen Erwachsenen sogar um rund 70 Prozent. Dennoch gibt es eine hohe Dunkelziffer: Denn nur etwa 10 bis 20 Prozent der betroffenen suchen einen Arzt aus – durchschnittlich vergehen acht Jahre bis zur Diagnosestellung. Beim Reizdarm-Syndrom handelt es sich um eine klassische Ausschlussdiagnose.