Säuglingen macht die Kinderkrankheit Keuchhusten gerade schwer zu schaffen. Für sie kann eine Infektion tödlich ausgehen. Kinderärzte empfehlen einen „Nestschutz“.
Der Keuchhusten ist in Baden-Württemberg auf dem Vormarsch. Anders als bei anderen Kinderkrankheiten wie Masern oder Röteln ist die Entwicklung bei dieser Tröpfcheninfektion alarmierend. Das Landesgesundheitsamt (LGA) spricht angesichts von 2500 Fällen im Land von einer Epidemie. „Das ist der höchste seit Beginn der Meldepflicht 2013 zwischen Januar und Anfang März gemessene Wert“, erläuterte LGA-Abteilungsleiter Stefan Brockmann.
Dagegen lagen zwischen 2016 und 2019 die Infektionszahlen im Vergleichszeitraum zwischen 700 und 1200. Im Jahr 2023 waren es nur 29 Fälle. Bei Jugendlichen, Erwachsenen und vielen geimpften Kindern zeigt sich Keuchhusten oft nur als lang anhaltender Husten. Für Säuglinge hingegen ist der Pertussis-Erreger lebensbedrohlich, da sie den Schleim nicht abhusten können, was zu Atemnot und Erstickungsgefahr führt.
Das Landesgesundheitsamt zählt bislang 122 Fälle bei Unter-Einjährigen und 251 bei Ein- bis Vierjährigen. Der Reutlinger Kinderarzt Till Reckert empfiehlt schwangeren Frauen, sich impfen zu lassen, um Neugeborenen einen „Nestschutz“ zu gewähren. Zwei Drittel der infizierten Babys müssen im Krankenhaus behandelt werden. Obwohl die Impfung die Symptome mildert, ist sie kein vollständiger Schutz vor Keuchhusten. Daher sollten Geimpfte, insbesondere gegenüber Neugeborenen, Abstand halten, wenn sie möglicherweise oder nachweislich infiziert sind.
In der Gruppe der Fünf- bis Neunjährigen gibt es nach LGA-Auskunft 370 Pertussis-Fälle, bei den 10- bis 19-Jährigen 1209. Die Inzidenz der Krankheit liegt bei den Babys mit 108,2 am höchsten. Das heißt laut LGA, jedes tausendste Kind im Alter bis zu einem Jahr in Baden-Württemberg hat dieses Jahr einen im Labor bestätigten Keuchhustennachweis. Ein Todesfall war in diesem Jahr noch nicht verzeichnet. Zuvor habe es vereinzelte Fälle gegeben, so Brockmann.
Auch wenn die Inzidenz bei Erwachsenen niedriger ist, treten inzwischen rund 60 Prozent aller Erkrankungen bei Menschen über 18 Jahren auf, weil sie Appelle für Auffrischimpfungen ignorierten, teilt das Robert Koch-Institut für Gesundheitsschutz mit.
Reckert, Sprecher des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte*innen in Baden-Württemberg, sieht auch einen Zusammenhang mit Covid-19. Die soziale Distanzierung in der Coronazeit habe ein sehr deutliches „Infektwellental“ erzeugt, auf das nun ein ebenso deutlicher „Infekttsunami“ folge. „Das ist bei eigentlich allen relevanten Infektionskrankheiten so. Da Keuchhusten eher weniger ansteckend ist, erfolgt dieser im Vergleich zu anderen Wellen mit etwas Zeitverzug.“
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