Keine Geburtsfehler unter Duogynon APOTHEKE ADHOC, 27.11.2017 12:52 Uhr
Untersuchung abgeschlossen: Ein britisches Expertengremium hat die seit 2015 andauernde Bewertung von Duogynon beendet und keine Anhaltspunkte für einen Zusammenhang zwischen der Einnahme und dem Auftreten von Geburtsfehlern gefunden. Für die britische Presse ein Skandal, gab es doch 1975 einen Hinweis, dass Frauen unter der Einnahme ein fünfmal höheres Risiko für eine Fehlbildung haben.
In Großbritannien war die Östrogen-Progesteron-Kombination unter dem Namen Primodos (Schering) als Schwangerschaftstest auf dem Markt. Frauen erhielten zwei Tabletten an aufeinanderfolgenden Tagen. Einige Tage später wurde bei denjenigen, die nicht schwanger waren, eine Entzugsblutung festgestellt. Hormonschwangerschaftstests (HPT) wurden mittlerweile durch Urintests ersetzt. In Deutschland wurde die Kombination ab den 50er-Jahren unter den Namen Duogynon beziehungsweise Cumorit bis 1980 als HPT und zur Behandlung von Menstruationsstörungen eingesetzt. Das Duo aus Norethisteron und Ethinylestradiol wurde in Großbritannien 1978 vom Markt genommen.
Laut einem Bericht von 1967 soll es Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Primodos und der Neuralrohrfehlbildung Spina bifida gegeben haben. Die Expertengruppe konnte in der aktuellen Bewertung jedoch keine Anhaltspunkte für einen kausalen Zusammenhang zwischen Anwendung und Geburtsfehlern oder Fehlgeburten finden. Berücksichtig wurden für die Entscheidung die methodischen Beschränkungen der damaligen Zeit.
Die Entscheidung sorgt in Großbritannien für Wut. Aktivisten kämpfen seit mehr als 40 Jahren gegen HPT. Familien hoffen zudem weiter auf Entschädigungszahlungen. The Guardian zitiert eine Labour-Abgeordnete: „Ich bin von dem Bericht völlig angewidert. Sie haben die Beweise, die ihnen präsentiert wurden, offensichtlich nicht angeschaut. Wenn sie sich die ihnen vorgelegten Beweise angesehen hätten, hätten sie niemals zu dem Ergebnis kommen können. Dieser Bericht ist eine vollständige Schönfärberei. Es ist das Papier nicht wert, auf dem es gedruckt wurde.“
Die englische Presse berichtet zudem von Unterlagen, die im Berliner Nationalarchiv ausgegraben wurden. Hierbei soll es sich um eine Studie von Professor Dr. William Inman handeln. Der medizinische Offizier der britischen Regierung hatte sich nach dem Thalidomid-Skandal für eine strengere Regulierung der Arzneimittel eingesetzt. Inman soll herausgefunden haben, dass Frauen, die mit Primodon behandelt wurden, ein fünfmal höheres Risiko hatten, ein behindertes Kind zu gebären als diejenigen, die das Medikament nicht einnahmen.
Auch in Deutschland wurde basierend auf Einzelfallberichten und Publikationen die Frage gestellt, ob ein Zusammenhang zwischen dem Vorkommen angeborener Entwicklungsanomalien und der mütterlichen Duogynon-Exposition in der frühen Schwangerschaft besteht. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hatte 2010 und 2011 das Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie, Institut für klinische Pharmakologie und Toxikologie der Charité mit der Untersuchung einer retrospektiven Fallserie beauftragt.
In der Veröffentlichung der Untersuchung mit dem Titel „Angeborene Fehlbildungen nach Applikation einer Östrogen-Progesteron-Kombination (Duogynon) – eine retrospektive Fallserie“ kamen die Experten 2012 ebenfalls zu dem Schluss, dass ein teratogener oder embryotoxischer Effekt von Duogynon, zu welchem Zwecke auch immer angewendet, unwahrscheinlich sei.