Medizinisches Cannabis

Kein sicherer Nutzen bei psychischen Erkrankungen

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Berlin -

Der Cannabis-Markt boomt und die Einsatzmöglichkeiten sind breit gefächert: Ein Forscherteam aus Sydney untersuchte die Wirkung bei psychiatrischen Erkrankungen – und fand kaum Belege für einen Nutzen. Zudem warnen die Forscher vor möglichen Risiken, die mit der Anwendung verbunden sind.

Medizinisches Cannabis soll bei zahlreichen Beschwerdebildern helfen: Neben der Schmerztherapie wird es mittlerweile auch zur Linderung von psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen oder ADHS eingesetzt. Die medizinische Evidenz in diesen Bereichen ist zum Teil jedoch gering.

Ein Team des National Drug and Alcohol Research Centre in Sydney nahm sich dem Thema an: Für die geplante Meta-Analyse wurden für den Zeitraum von 1980 bis 2018 nur 83 Studien gefunden: 40 davon waren randomisierte kontrollierte Studien (RCT), bei den anderen handelt es sich lediglich um offene Studien, bei denen den Teilnehmern bekannt war, ob sie Cannabis oder Placebo erhielten.

Die Verteilung der Studien auf die verschiedenen psychiatrischen Krankheitsbilder war wie folgt: 42 bezogen sich auf Depressionen – 23 davon waren RCT, 31 auf Angst­zustände mit 17 RCT, acht auf Tourette-Syndrom mit zwei RCT, drei auf ADHS mit einer RCT, zwölf auf PTBS mit ebenfalls nur einer RCT und elf auf Psychosen mit sechs RCT.

Viele der kontrollierten Studien – vor allem im Bereich Depressionen und Angststörungen – wurden jedoch nicht durchgeführt, um den Effekt auf die psychiatrische Erkrankung auszuwerten, sondern eigentlich um im Bereich der Multiplen Sklerose oder chronischer Schmerzen zu forschen – Die Auswirkung auf die psychischen Leiden wurde dabei lediglich zufällig beobachtet. Die Effektstärke war zudem meist nur gering. Nach Berechnungen der Forscher hatte die Behandlung mit Cannabis die Symptome um ein Vier­tel der Standardabweichungen gelindert. Der Evidenzgrad für einen Nutzen bleibe der Analyse zufolge insgesamt gering. Möglich sei zudem, dass die Linderung der psychischen Erkrankungen nur die Folge der Besserung der Primärerkrankung war.

Die Studien zu den anderen psychischen Erkrankungen beschäftigten sich– im Vergleich zu denen bei Depressionen und Angststörungen – pri­mär mit der Behandlung von Cannabinoiden zur Behandlung der jeweiligen psychischen Störung. Die Ergebnisse waren jedoch kontrovers: Teilweise kam es sogar zu einer Verschlechterung der Symptomatik, beispielsweise bei Psychosen. Häufig werden diese auch als Nebenwirkung des Cannabiskonsums diskutiert, den Forschern zufolge dürfte der Einsatz bei diesem Beschwerdebild daher problematisch sein.

In den Studien wurde der Forschergruppe nach außerdem dargestellt, dass medizinisches Cannabis zu einem Anstieg von Nebenwirkungen führte und die Rate von Therapieabbrüchen aufgrund von Nebenwirkungen erhöht war. Der Einsatz bei psychiatrischen Beschwerdebildern sei demnach mit Vorsicht zu genießen. Jedoch stünde der geringen Evidenz ein großes öffentliches Interesse gegenüber. Um die Lücken zu schließen seien daher weitere randomisierte, kontrollierte Studien dringend notwendig.

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