Das waren die Argumente

Kein OTC-Switch für Hydrocortison 1 Prozent und Ibu/Phenylephrin

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Berlin -

Im Januar tagte der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht (SAV) in Bonn. Die Experten erteilten den beantragten OTC-Switches für Hydrocortison 1 Prozent und für die Kombination Ibuprofen/Phenylephrin eine Absage. Jetzt liegt das Protokoll vor, das die Bedenken der Teilnehmer festhält.

Die Experten des SAV haben sich mehrheitlich gegen einen OTC-Switch von Hydrocortison 1 Prozent zum äußeren Gebrauch ausgesprochen. Die endgültige Entscheidung hat aber das Bundesgesundheitsministerium, der SAV gibt lediglich eine Empfehlung ab. Änderungen der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) bedürfen zudem der Zustimmung des Bundesrats. Die Chancen für eine Entlassung des Korticoids aus der Verschreibungspflicht standen nicht schlecht. In der Diskussion hatten sich auch einige Ausschussmitglieder für einen Switch ausgesprochen.

Das Nebenwirkungsprofil von 0,5-prozentigem und 1-prozentigem Hydrocortison ist wahrscheinlich vergleichbar – und das bei voraussichtlich besserer Wirksamkeit der höher prozentigen Formulierung, hat ein Experte dem Protokoll zufolge geäußert. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) führte an, dass „Hydrocortison das Kortikoid mit dem geringsten therapeutischen Index sei, Wirkungen und Nebenwirkungen würden sich die Waage halten“. Ein Ausschussmitglied merkte an, die Entlassung der 1-prozentigen Formulierung nicht zu unterstützen. Am Ende wurde schließlich mehrheitlich empfohlen, den Antrag abzulehnen.

Im November 2017 hatte der Expertenausschuss einem OTC-Switch der Kombination Aciclovir und Hydrocortioson zu 1 Prozent zur Behandlung von Lippenherpes zugestimmt. Bislang sind topische Zubereitungen mit Hydrocortison zu 0,25 Prozent in einer maximalen Packungsgröße von 50 g sowie zu 0,5 Prozent in Packungen zu 30 g von der Verschreibungspflicht ausgenommen.

Eine negative Empfehlung sprachen die Experten auch der Kombination Ibuprofen/Phenylephrin aus. Die Zulassung des Arzneimittels basiert laut BfArM auf einem Referenzprodukt in Großbritannien. Dazu lägen zwei Bioäquivalenzstudien vor. Die Ausschussmitglieder diskutierten über Wirksamkeit und Sicherheit sowie Studiendaten zur Kombination. Ein Mitglied äußerte „erhebliche Bedenken bezüglich der systemischen Therapie mit adrenergen Agonisten zur lokalen Schleimhautabschwellung“. Eine lokale Behandlung könne dies besser erreichen. Außerdem würden die unerwünschten Arzneimittelwirkungen, die mit einer systemsichen Therapie einhergingen, gegen eine Freistellung der Kombination aus der Verschreibungspflicht sprechen.

Das BfArM merkte an, dass die Kombination Paracetamol/Phenylephrin ohne Rezept erhältlich sei. Außerdem seien verschiedene andere Kombinationen mit einem adrenergen Agonisten verschreibungsfrei. Der SAV hatte auch der Kombination aus Ibuprofen/Pseudoephedrin grünes Licht gegeben. Ohnehin sei eine Rezeptpflicht für Pseudoephedrin aufgrund des Missbrauchspotentials vor einigen Jahren vom SAV abgelehnt worden. Ein Mitglied regte an, frühere Entscheidungen müssten gegebenenfalls überdacht werden. Verwiesen wurde auf die „massive Werbung“. Dieser neue Aspekt sei zu berücksichtigen, denn die Werbemaßnahmen für die entsprechenden Präparate würden falsche Versprechungen enthalten. Außerdem könnte Werbung für die Kombination zu einer zunehmenden Anwendung von Ibuprofen führen.

Die Diskussion drehte sich immer wieder um fehlende Daten zu Wirksamkeit und Sicherheit von Phenylephrin. Während Pseudoephedrin eine „relativ gut bekannte Substanz“ sei, sei Phenylephrin dies nicht. Die Sicherheit der Kombination sei nicht ausreichend beurteilbar. Dabei sei die Sicherheit eines Arzneimittels ein wichtiger Aspekt für einen Switch.

Immerhin gab es auch Fürsprecher. „Die Kombination aus Ibuprofen/Phenylephrin sei nicht problematischer als die Kombination Ibuprofen/Pseudoephedrin“, ist im Protokoll zu lesen. Ein Ausschussmitglied sah zwar die Wirksamkeit der Kombination als fraglich, allerdings sei das Nebenwirkungsprofil unproblematisch. Die Notwendigkeit der Verordnung durch einen Arzt lasse sich weder aus Spontanmeldungen noch aus pharmakologischen Studien ableiten. Im Ergebnis sprachen die Experten der Kombination allerdings keine Empfehlung für einen OTC-Switch aus.

Am 22. Januar trafen sich Vertreter des Bundesgesundheitsministeriums (BMG), des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) sowie des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) und Vertreter der Fachkreise und gaben ihre Empfehlung zu folgenden Themen ab:

  • Desfesoterosin: Antrag auf Unterstellung der Verschreibungspflicht (zugestimmt)
  • Ibuprofen/Phenylephedrin: Antrag auf Entlassung aus der Verschreibungspflicht (abgelehnt)
  • Permethrin zur Anwendung am Hund: Antrag auf Entlassung aus der Verschreibungspflicht (zugestimmt)
  • Hydrocortison 1 Prozent zum äußerlichen Gebrauch (abgelehnt)
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