Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) hat empfohlen, Gilenya (Fingolimod) nicht bei Schwangeren und gebärfähigen Frauen einzusetzen, die keine wirksame Verhütung anwenden.
Um das Risiko einer Schwangerschaft zu minimieren, müssen alle Frauen im gebärfähigen Alter vor Beginn der Behandlung einen Schwangerschaftstest durchführen. Während der Behandlung und bis zwei Monate nach Absetzen des Arzneimittels müssen wirksame Verhütungsmittel angewendet werden. Wird eine Patientin unter der Einnahme von Gilenya schwanger, muss die Einnahme sofort beendet und die Schwangerschaft engmaschig überwacht werden.
Der Wirkstoff Fingolimod kann das Ungeborene schädigen: Das Risiko von Fehlbildungen bei Säuglingen, die während der Schwangerschaft im Mutterleib Gilenya ausgesetzt waren, scheint doppelt so hoch zu sein wie das in der Allgemeinbevölkerung beobachtete Risiko von zwei bis drei Prozent. Die häufigsten berichteten Fehlbildungen unter Fingolimod betrafen Herz, Nieren, Knochen und Muskeln. Darunter atriale und ventrikuläre Septumdefekte, Fallot-Tetralogie, Nierenanomalien und muskuloskelettale Anomalien.
Bereits im November 2017 wurden die Kontraindikationen um vier Meldungen erweitert. Die Warnungen bezogen sich auf die Anwendung bei Patienten mit bestehenden kardialen Erkrankungen. Das Risiko schwerwiegender Herzrhythmusstörungen war bereits bekannt. Aus den bisherigen Warnhinweisen und Vorsichtsmaßnahmen wurden damals Kontraindikationen. Das Nutzen-Risiko-Verhältnis bleibt weiterhin positiv. Weitere Kontraindikation bestehen seitdem für Patienten mit Myokardinfarkt, instabiler Angina pectoris, Schlaganfall, transitorisch ischämischer Attacke, dekompensierter Herzinsuffizienz oder NYHA-Klasse III/IV.
Fingolimod wirkt als funktioneller Antagonist am S1P-Rezeptor der Lymphozten und blockiert so die Migration von Lymphozyten aus den Lymphknoten. Die Folge ist eine entzündungshemmende Wirkung. Die vier wichtigsten Schlüsselparameter der Krankheitsaktivität werden durch Fingolimod positiv beeinflusst: Schübe, MRT-Läsionen, Hirnatrophie und Behinderungsprogression. Der Wirkstoff ist in einer Dosierung von 0,25 mg zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen ab zehn Jahren mit hochaktiver RRMS bis zu 40 kg Körpergewicht zugelassen, ab 40 kg ist eine höhere Dosis von 0,5 mg indiziert. Die Einnahme erfolgt jeweils einmal täglich.
Im Juli hat der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) den Zusatznutzen von Gilenya für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen im Alter von 10 bis 18 Jahren mit hochaktiver schubförmig-remittierend verlaufender Multipler Sklerose (RRMS) festgestellt. Die EU-Zulassung für Kinder und Jugendliche hat Gilenya seit November vergangenen Jahres. Basis waren die Ergebnisse der „Paradigms-Studie“. Es handelt sich dabei um eine doppelblinde, randomisierte, multi-zentrische Phase-III-Studie mit einer flexiblen Dauer von bis zu zwei Jahren. Sie wurde an über 80 Zentren in mehr als 25 Ländern durchgeführt. Ziel war die Bewertung der Sicherheit und Wirksamkeit von oral verabreichtem Fingolimod im Vergleich zu Interferon-beta-1a intramuskulär (IFNb-1a i. m.) bei Kindern und Jugendlichen mit einer schubförmigen Multiplen Sklerose.
Bei MS zerstören Immunzellen die isolierende Hüllschicht der Nervenfasern (Myelinscheide), sodass die Weiterleitung von Signalen gestört ist. Bei Gesunden hält das Abwehrsystem solche Immunzellen in Schach, unter anderem durch die spezielle Gruppe der Suppressorzellen, auch regulatorische T-Zellen genannt. Diese fehlen bei MS-Patienten, sodass die überschießende Abwehr des Immunsystems nur unzureichend gebremst wird. Bei SPMS handelt es sich um eine lähmende Form der MS, die durch eine progressive und irreversible Behinderung gekennzeichnet ist. Die meisten Patienten bemerken die ersten Symptome im Alter zwischen 20 und 40 Jahren. Frauen sind häufiger betroffen als Männer.
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