Cystische Fibrose

Kaftrio: Dreifach-Kombi gegen Mukoviszidose

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Berlin -

Demnächst könnte eine Dreifach-Kombinaton zur Behandlung der Mukoviszidose bei Patienten ab zwölf Jahren zur Verfügung stehen. Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) hat dem Hersteller Vertrex ein positives Votum für Kaftrio (Tezacaftor, Elexacaftor und Ivacaftor) zugesprochen.

Im Herbst vergangenen Jahres hatte Vertrex bereits die Zulassung durch die US-Arzneimittelbehörde FDA erhalten. Dort wird die Kombination von Tezacaftor, Elexacaftor und Ivacaftor unter dem Namen Trikafta vertrieben. Es gibt bereits gute Erfahrungsberichte – auch die Studiendaten sind bislang sehr vielversprechend. So zeigt sich beispielsweise eine deutliche Verringerung der mukoviszidosetypischen Symptome bereits nach kurzer Einnahmedauer.

Bei den Betroffenen macht sich dies in in Bezug auf verschiedene Faktoren bemerkbar: Sie berichteten über einen deutlichen Rückgang der Schleimbildung in der Lunge, außerdem über eine Verringerung des Hustenreizes. Außerdem zeigten die Patienten ein besseres Allgemeinbefinden und eine Appetitsteigerung. Bei Untersuchungen konnten sich zudem die Lungenfunktionswerte verbessern – im Mittel sogar um 14 Prozent.

CFTR-Kanal als Wirkansatz

Bei Kaftrio handelt es sich um einen sogenannten „CFTR-Modulator“. Die drei enthaltenen Wirkstoffe wirken direkt am CFTR-Kanal. Dieser befindet sich in der Zellwand, bei Mukoviszidose-Betroffenen funktioniert er jedoch genetisch bedingt nicht richtig. Dadurch kommt es zu massiven Störungen im Wasser-Salz-Haushalt. Durch die Verbesserung der CFTR-Kanalfunktion wird der mukoviszidosetypische zähe Schleim, der die Lunge und andere Organe verklebt und schädigt, wieder verflüssigt. Tezacaftor und Elexacaftor gehören zur Gruppe der sogenannten Korrektoren. Diese unterstützen den Reifeprozess von CFTR-Kanal-Molekülen in der Zelle und bringt eine größere Anzahl an funktionalen Kanal-Molekülen zu ihrem Wirkort an der Zelloberfläche. Ivacaftor verstärkt diesen Effekt als sogenannter Potentiator. Ivacaftor aktiviert vorhandene Kanal-Moleküle an der Zelloberfläche. Korrektoren und Potentiatoren sind damit ursachenorientierte Medikamente. Die aktuellen Modulatoren beheben den Defekt jedoch nicht.

60-80 Prozent könnten von der neuen Therapie profitieren

Die positive Stellungnahme des CHMP bezieht sich auf Patienten ab zwölf Jahren mit zwei F508del-Mutationen oder mit einer F508del-Mutation und einer Minimalfunktionsmutation. Die Zulassung wird in spätestens 67 Tagen erwartet. Etwa 60 Prozent der Mukoviszidose-Patienten könnten demnach von der neuen Medikation profitieren. In den nächsten Jahren könnte der Anteil voraussichtlich noch größer werden – bis zu 80 Prozent, wenn die Kaftrio-Zulassung auf weitere Altersklassen und breitere Indikationen ausgeweitet wird.

„Wir freuen uns sehr über diesen Meilenstein in der Mukoviszidose-Forschung, der für eine so große Gruppe der Betroffenen Verbesserungen bringen wird. Die Zulassung von Kaftrio wird sich sowohl auf die Lebensqualität als auch auf die Lebenserwartung von Menschen mit CF positiv auswirken“, sagt Stephan Kruip, Bundesvorsitzender des Verbands Mukoviszidose und selbst von der Stoffwechselerkrankung betroffen.

Zwar kann die medikamentöse Therapie eine deutliche Verbesserung mit sich bringen, dennoch sei wichtig, dass den Betroffenen bewusst sei, dass die Einnahme von Kaftrio eine Zusatztherapie darstelle: Die Patienten müssen also die Basistherapie erst einmal fortführen. Eine Heilung der Mukoviszidose könnte nur durch eine Gentherapie erreicht werden, an der seit 30 Jahren gearbeitet wird. Da es jedoch so viele verschiedene Mutationen auf dem CFTR-Gen gibt und Mukoviszidose eine Multiorganerkrankung ist, sei es noch nicht gelungen, diese große Aufgabe zu lösen, erläutert Dr. Carsten Schwarz, Leiter der Sektion Cystische Fibrose an der Charité Universitätsmedizin Berlin. Mukoviszidose bleibt aktuell eine unheilbare Erkrankung, die durch eine lebenslange Einnahme von Kaftrio jedoch besser behandelbar werde.

Getrennte Verordnungen in der EU

Der andere Name in der EU ist durch die unterschiedliche Art der Verpackung begründet. Denn in den USA enthält eine Packung zwei verschiedene Arten von Tabletten: Die Orangenen sind mit T100 deklariert und enthalten alle drei Wirkstoffe. Die Einnahme von zwei Tabletten erfolgt morgens zum Frühstück. Die blauen Tabletten sind mit V150 markiert und enthalten nur Ivacaftor. Die Einnahme einer Tablette erfolgt zum Abendessen. In Europa ist jedoch durch die Behörden festgelegt, dass nicht zwei verschiedene Tabletten in einer Packung sein dürfen, um die Verwechslungsgefahr zu minimieren. Deshalb wird in der EU zusätzlich zur Dreifachkombination immer noch der Wirkstoff Ivacaftor – bekannt unter dem Handelsnamen Kalydeco – einzeln dazuverordnet für die abendliche Einnahme. Die Mahlzeiten sollten zur besseren Wirkstoffaufname stets Fett enthalten. Zwischen den beiden Einnahmen sollten mindestens 12 Stunden liegen.

Zu den häufigsten Nebenwirkungen von Trikafta gehören Kopfschmerzen, Infektionen der oberen Atemwege, Bauchschmerzen, Durchfall, Ausschläge, erhöhte Leberenzyme, erhöhte Kreatin-Phosphokinase-Werte, Rhinitis und Sinusitis sowie erhöhte Bilirubin-Werte. Um auch die Langzeiteffekte der Kombination weiter zu erforschen, fordert die EMA eine Nachbeobachtungsphase in einer repräsentativen Patientenpopulation. In der Regel beträgt diese fünf Jahre. „Noch wissen wir nicht, wie gut das Medikament auf lange Zeit wirkt und ob sich irgendwann kritische Nebenwirkungen zeigen“, erklärt Dr. Lutz Nährlich, Leiter der Mukoviszidose-Ambulanz der Universitätsklinik Gießen. „Hier setzen wir auf weitere Studien, um das zu beobachten. Basis für künftige Studien zur Medikamentensicherheit ist das unabhängige Deutsche Mukoviszidose-Register, das vom Mukoviszidose e.V. betrieben wird.“

Das Krankheitsbild Mukoviszidose

Mukoviszidose ist eine angeborene Stoffwechselerkrankung. In Deutschland sind bis zu 8000 Menschen von der unheilbaren Erbkrankheit betroffen. Laut Helmholtz-Zentrum München werden jährlich rund 200 Kinder mit der Erkrankung geboren. Fehlerhafte Chlorid-Kanäle auf der Oberfläche von Zellen sorgen dafür, dass Flüssigkeiten in allen Organen (Bronchien, Bauchspeicheldrüse, Verdauungstrakt, Schweißdrüsen) zähflüssiger werden. Der hochviskose Schleim kann nicht mehr richtig abfließen. Als Folge kann es zu einer vermehrten Besiedlung mit Keimen kommen. Zu den häufigsten Symptomen gehören Dauerhusten, Verdauungsbeschwerden und rezidivierende Lungenentzündungen. Bislang ist die Stoffwechselerkrankung nicht heilbar. Betroffene erhalten in regelmäßigen Abständen verschieden kombinierte Antibiotika. Die Krankheit wird durch Mutationen am Gen CFTR verursacht.

 

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