Herzpatienten entwickeln häufig auch psychische Probleme wie Angstgefühle oder Depressionen: Die Therapie kann aufgrund von Wechselwirkungen oder Kontraindikationen schwierig sein. Eine pflanzliche und vor allem sichere Alternative zu chemischen Antidepressiva stellt Johanniskraut dar.
Psychische und organische Leiden sind oft eng miteinander verwoben: Stress erhöht das Risiko für eine koronare Herzerkrankung und Herzinfarkt. Andererseits entwickeln Patienten mit Herzerkrankungen jedoch auch häufiger psychische Erkrankungen. Nach einem Herzinfarkt entwickeln viele Betroffene eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Auch Patienten mit Herzrhythmusstörungen reagieren häufig empfindlich auf jede noch so kleine Änderung des Herzschlags. Sie geraten schneller in Panik, das wiederrum schüttet Stresshormone aus: Es entsteht ein Teufelskreis.
Um diesen zu durchbrechen, sollte die Depression in jedem Falle behandelt werden. Aufgrund der Herzbeschwerden gibt es jedoch bei der Auswahl der richtigen Therapie einiges zu beachten: Unerwünschte kardiale Nebenwirkungen und potenzielle Wechselwirkungen mit der weiteren Medikation müssen ausgeschlossen werden. So können trizyklische Antidepressiva wie Amitriptylin, Doxepin und Opipramol aufgrund von kardiovaskulären Risiken wie beispielsweise vegetativen Nebenwirkungen die Gefahr von Herzrhythmusstörungen und gesteigerter Infarkthäufigkeit erhöhen. Substanzen aus dieser Wirkstoffgruppe sollten daher bei kardialer Komorbidität nicht verwendet werden.
Gleiches gilt für den Einsatz von Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI): Wegen möglicher ungünstiger Wechselwirkungen mit Herzmedikamenten ist Vorsicht geboten. Rote-Hand-Briefe zu Citalopram und Escitalopram warnten in der Vergangenheit vor dosisabhängiger QT-Zeit-Verlängerung im EKG bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit. Citalopram sollte laut der S3-Leitlinie für Unipolare Depression bei Patienten mit Herzerkrankungen daher nur mit Vorsicht eingesetzt werden. Bei Patienten mit zusätzlich erhöhtem Risiko für eine QT-Zeit-Verlängerung besteht zudem eine klare Kontraindikation.
Häufig rücken aufgrund der Komplikationen auch pflanzliche Therapiealternativen in den Fokus: Johanniskraut und seine Zubereitungen besitzen beispielsweise antidepressive, angstlösende und stimmungsaufhellende Eigenschaften. Die Präparate können bei innerer Unruhe, Ängstlichkeit, Ein- und Durchschlafstörungen sowie Stimmungsschwankungen bis hin zur Behandlung von leichten bis mittelschweren depressiven Verstimmungen eingesetzt werden. Hinsichtlich der kardialen Sicherheit ist bei Johanniskrautextrakt keine QT-Intervall-Verlängerung bekannt.
Das enthaltene Hyperforin erhöht die Wiederaufnahme von Serotonin und Noradrenalin, sowie die GABA- und Dopamin-Konzentration im synaptischen Spalt: Somit hat es ähnliche Wirkungen wie viele synthetische Antidepressiva. Bei hohen Dosierungen kann es deshalb zum Serotonin-Syndrom kommen: Es zeichnet sich durch Schwindel, Grippegefühl oder willkürliches Muskelzucken aus. Wegen dieser Nebenwirkung darf es ohnehin nicht zusammen mit anderen Antidepressiva eingenommen werden.
Eine gleichzeitige Medikation von Johanniskraut mit häufig verordneten kardiovaskulären Wirkstoffen ist hingegen gut möglich: Der Betablocker Metoprolol, der ACE-Hemmer Ramipril oder Candesartan können bedenkenlos kombiniert werden. Die gleichzeitige Verabreichung von Johanniskrautextrakt mit dem Kalzium-Antagonisten Verapamil sollte hingegen vermieden werden. Johanniskraut zählt zu den CYP3A4-Induktoren: Durch die CYP-450-Induktion kann die Wirkung des kardialen Arzneistoffes gemindert werden. Aufgrund der Wirkungen auf die Enzyminduktion in Leber und Darm kann auch die Wirksamkeit von Cholesterinsenkern, einigen Antikoagulanzien, diversen Zytostatika, HIV-Proteaseinhibitoren, Verhütungsmitteln und weiteren Arzneimittelgruppen abgeschwächt werden. Daher muss die Therapieoption vor Beginn der Behandlung sorgfältig geprüft werden.
Die Inhaltsstoffe der Pflanze sind sehr vielseitig: Der wichtigste ist das Hypericin, der Farbstoff, der dem Johanniskrautöl die typisch rote Färbung gibt, weshalb es auch Rotöl genannt wird. Dieser Inhaltsstoff ist leicht giftig und führte bei Weidetieren zur sogenannten „Heukrankheit“: Nach dem Verzehr und anschließender intensiver Sonneneinstrahlung wiesen vor allem weiße Tiere Hämolyseerscheinungen auf. Bei Einnahme von Johanniskrautpräparaten oder der äußerlichen Anwendung des Öls sollte deshalb übermäßige Sonneneinstrahlung vermieden werden. Denn auch beim Menschen kann es zu phototoxischen Reaktionen kommen, da Hypericin die Photosensibilität der Haut erhöht.
Das Wirkungsspektrum von Johanniskraut ist außerordentlich breit: Es umfasst sowohl Beschwerden körperlichen als auch seelischen Ursprungs. Gesichert ist neben der psychischen Wirkung bei Depressionen & Co. auch die heilende Wirkung bei Hauterkrankungen. Die äußerliche Anwendung des sogenannten „Rotöls“ eignet sich vor allem bei chronisch entzündlichen Hauterkrankungen wie Neurodermitis und Schuppenflechte: Hier kommen die antibiotische Wirkung des Hyperforins zum Einsatz und auch die pflegenden Eigenschaften des Öls. Bei Ekzemen und trockener Haut stellt sich schnell eine Besserung ein.
Äußerlich wird Johanniskrautöl auch zur Haut- und Narbenpflege eingesetzt: Flavonoide und Hyperforin sollen hautpflegende, entzündungshemmende und antibakterielle Eigenschaften besitzen. Die im Öl enthaltenen Gerbstoffe sollen zudem adstringierend wirken. Rotöl wird als Haut- und Funktionsöl zur Haut- und Narbenpflege einmassiert und soll die Bildung von wildem Fleisch verhindern. Die Erwärmung des Öls auf etwa 40 Grad soll diese Wirkung noch verstärken.
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