Isotretinoin: SAPHO-Syndrom als seltene Nebenwirkung? Cynthia Möthrath, 23.05.2022 12:18 Uhr
Der Wirkstoff Isotretinoin darf nur im Ausnahmefall verordnet werden. Die Verschreibung bei schweren Akneformen ist mit strengen Auflagen versehen. Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) verweist nun auf eine mögliche unbekannte Nebenwirkung der Substanz: Das sogenannte „SAPHO-Syndrom“ kann zu Knochen- und Hautmanifestationen führen, welche rezidivierend oder chronisch verlaufen können. Daten deuten auf einen kausalen Zusammenhang hin.
Isotretinoin gehört zu den Retinoiden, häufig auch als Vitamin-A-Derivate bezeichnet. Der Wirkstoff wird zur oralen Therapie bei schweren Formen der Akne verwendet, wenn topische Behandlungen oder Antibiotika nicht den gewünschten Erfolg bringen und die Gefahr einer dauerhaften Narbenbildung besteht. Der Wirkmechanismus ist komplex und bis heute nicht vollständig geklärt. Unter anderem hemmt Isotretinoin die Proliferation der Sebozyten, außerdem wird die Talgproduktion und die Größe der Talgdrüsen reduziert und es kommt zu antientzündlichen Effekten.
Zu den häufigsten Nebenwirkungen gehören Kopfschmerzen, Rötung, Reizung und Trockenheit der Augen, Nasenbluten, Entzündung und Trockenheit von Hals und Nase, erhöhte Leberenzymwerte und Anämien, trockene, gereizte Lippen und Haut mit Rötung, Ausschlag, leichtem Juckreiz und Schuppung, sowie Rücken-, Muskel- und Gelenkschmerzen.
Isotretinoin & Schwangerschaft
Oral darf Isotretinoin bei Frauen im gebärfähigen Alter nur unter Einhaltung des Schwangerschaftsverhütungsprogramms angewendet werden. Vor der Verschreibung und Abgabe müssen die Risiken anhand des Schulungsmaterials mit den Patientinnen besprochen werden. Keine Kontrazeption – keine Abgabe. Frauen müssen ihre Verordnungen innerhalb von einer Woche einlösen und einen zuverlässigen Schwangerschaftsschutz vorweisen. Für männliche Patienten gelten andere Regeln. Sie sind nicht angehalten, eine zuverlässige Verhütungsmethode während des Geschlechtsverkehrs anzuwenden. Darüber hinaus dürfen sie sich auch mehr Zeit bei der Einlösung lassen. Männer können Retinoid-Verordnungen die gewohnten vier Wochen einlösen.
SAPHO-Syndrom als seltene Nebenwirkung
Die AkdÄ hat nun eine mögliche seltene Nebenwirkung von Isotretinoin herausgestellt. Konkreter Anlass ist der Fall eines 14-jährigen Patienten. Er wurde aufgrund seiner Akne mit dem Wirkstoff behandelt. Unter der Therapie kam es innerhalb von drei Wochen zu einer starken Gewichtsabnahme, außerdem verschlechterte sich der Hautzustand. Die Isotretinoin-Dosis wurde daraufhin schrittweise reduziert, gleichzeitig wurde Methylprednisolon angesetzt.
„Innerhalb von drei weiteren Wochen kam es bei nun stabilem Gewicht zu rezidivierendem Fieber bis 39°C bei weiter bestehender Acne fulminans mit Verdacht auf Superinfektion sowie multiplen, teils sehr schmerzhaften Arthralgien (Schultern, Thorax-Skelett, Brustbein, Ellenbogen, rechtes Handgelenk, Hüfte, Knie) und Myalgien, und der Patient wurde stationär aufgenommen“, berichtet die AkdÄ. Blutuntersuchungen zeigten deutliche Entzündungsmarker, Rheumafaktoren waren jedoch negativ. Das MRT zeigte multiple Osteitisherde – typisch für das sogenannte „SAPHO-Syndrom“. Da ein Zusammenhang mit Isotretinoin vermutet wurde, wurde das Medikament abgesetzt. Als Differentialdiagnose stand eine Akne fulminans im Raum.
SAPHO-Syndrom – was ist das eigentlich?
Der Name des Syndroms setzt sich aus den typischen Symptomen Synovitis, Arthritis, Pustulose, Hyperostose, Osteitis zusammen – sie alle umfassen verschiedene Knochen- und Hautmanifestationen, die subakut, rezidivierend oder chronisch verlaufen können. Besonders häufig sind Brustwand, Wirbelsäule und Iliosakralgelenke betroffen. Bei Kindern können auch die langen Extremitätenknochen Schaden nehmen. Bevor es zu skelettalen Symptomen kommt, können Hauterscheinungen wie Pustulose, Akne oder Psoriasis auftreten, auch entzündliche Darmerkrankungen oder Fieber sind möglich.
Insgesamt tritt das SAPHO-Syndrom sehr selten auf. Vor allem Kinder und junge Erwachsene sind betroffen. Unerkannt kann es zu dauerhaften Schäden führen. Außerdem leiden Betroffene unter starken Schmerzen und einem hohen Leidensdruck. Die Behandlung erfolgt überwiegend symptomatisch mit nichtsteroidalen Antiphlogistika. Je nach Ausmaß können auch systemische oder intraartikuläre Steroide, Antibiotika wie Doxycyclin und Clindamycin, Immunsuppressiva wie MTX, Sulfasalazin oder Ciclosporin und TNF-α-Blocker eingesetzt werden.
Kausaler Zusammenhang wahrscheinlich
Bislang ist das SAPHO-Syndrom nicht ausdrücklich als Nebenwirkung in den Fachinformationen von Isotretinoin-haltigen Arzneimitteln aufgeführt. Allerdings werden die einzelnen Erscheinungen des Krankheitsbildes teilweise bereits genannt – oft mit unbekannter Häufigkeit. „Möglicherweise verbergen sich hinter solchen Berichten auch Fälle von nicht diagnostiziertem beziehungsweise abortivem SAPHO-Syndrom“, meint die AkdÄ.
Obwohl sich im beschriebenen Fall nicht eindeutig klären lässt, ob ein SAPHO-Syndrom – induziert durch Isotretinoin – vorlag, spricht der zeitliche Zusammenhang mit dem Ansetzen von Isotretinoin und der Besserung nach dessen Absetzen und unter antibiotischer und antiphlogistischer Therapie für einen kausalen Zusammenhang, schlussfolgert die AkdÄ. „Dies deutet darauf hin, dass das SAPHO-Syndrom entweder eine direkte Nebenwirkung von Isotretinoin sein kann oder als Folge einer durch Isotretinoin verschlimmerten Akne auftreten könnte.“ Die AkdÄ rät deshalb dazu, bei Auftreten entsprechender Symptome nach Gabe von Isotretinoin nicht nur die Akne fulminans als bekannte Nebenwirkung, sondern auch an das SAPHO-Syndrom zu denken.