Orale Retinoide

Isotretinoin: Gesteigerte Suizidgefahr?

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Berlin -

2016 beantragte die britische Arzneimittelbehörde MHRA bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) eine erneute Überprüfung des erhöhten Suizidrisikos unter der Einnahme von Isotretinoin. 2018 war die Bewertung abgeschlossen. Das Ergebnis: Aufgrund der begrenzten Daten könne nicht eindeutig nachgewiesen werden, ob das Risiko für neuropsychiatrische Erkrankungen durch Isotretinoin erhöht werde. Zum Jahreswechsel flammte die Diskussion aufgrund steigender Selbstmordzahlen in Großbritannien wieder auf.

In Großbritannien haben sich im vergangenen Jahr zehn Menschen das Leben genommen, die das Aknemittel Isotretinoin einnahmen. Die betroffenen Eltern gehen zum Teil vor Gericht. „Uns wurde nie gesagt, dass diese zufälligen Suizidimpulse aus heiterem Himmel kommen und überwältigend sein können", so eine Mutter. Experten wundern sich darüber, dass die Thematik aktuell diskutiert wird. „Dass Isotretinoin neuropsychologische Veränderungen hervorrufen könne, wisse man seit Jahren“, sagt Gregor Hasler, Psychiater und Experte für affektive Störungen. In den letzten Jahren wurden zahlreiche Sicherheits- und Warnhinweise in der Gebrauchsinformation und auf der Umverpackung ergänzt. Ärzte müssen bei Therapieeinleitung eine strenge Nutzen-Risiko-Abwägung durchführen.

Achtung bei bestehenden Depression

Unter der Anwendung oraler Retinoide wurde in zahlreichen Fällen über Depressionen oder verstärkte Angststörungen, sowie über Stimmungsschwankungen berichtet. Patienten sollten darüber informiert sein und bei derartigen Reaktionen einen Arzt aufsuchen. Bei Anzeichen von Depressionen sollte eine Behandlung eingeleitet werden.

Besondere Aufmerksamkeit gilt Patienten, die bereits früher unter Depressionen gelitten haben. Bei der Abgabe der Tabletten sollten Apotheker und PTA stets nach Vorerkrankungen fragen. Wurde der verordnende Arzt nicht über eine depressive Erkrankung in der Vergangenheit informiert, so sollte vor der Belieferung des Rezeptes Rücksprache mit dem Arzt gehalten werden.

Bei der Abgabe von oralen Retinoiden müssen Apotheker und PTA seit letztem Jahr eine Checkliste abarbeiten. Der Grund hierfür ist das teratogene Risiko des Wirkstoffes. Durch das Abarbeiten der Liste soll sichergestellt werden, dass Apotheker und PTA, die Isotretinoin oder andere Retinoide abgeben, die besonderen Sicherheitsanforderungen kennen und berücksichtigen. Die Checkliste ist verpflichtender Teil der Zulassung und fester Bestandteil des Schwangerschaftsverhütungsprogramms.

Akne schränkt Lebensqualität ein

Jugendliche, die unter schweren Formen der Acne vulgaris leiden, sind in ihrer Lebensqualität oft eingeschränkt. Neben den Schmerzen leiden Betroffene auch unter Vorurteilen und Ausgrenzungen. Oftmals können die Unreinheiten nicht kosmetisch abgedeckt werden, da Make-Up und Camouflage zu Verschlimmerungen führen. In einer norwegischen Untersuchung mit über 3000 Probanden im Alter von 18 und 19 Jahren gaben die Teilnehmer mit Akne in einem Fragebogen doppelt so häufig an, unter Symptomen zu leiden die auf Depressionen und Angstzuständen hindeuten, als diejenigen mit gesunder Haut.

Seit Jahren versuchen Forscher, den Zusammenhang zwischen Isotretinoin und Suiziden zu klären. Ein klares Ergebnis gibt es immer noch nicht. Im Sommer 2019 wurden die Ergebnisse einer umfangreichen Analyse aus Boston veröffentlicht. Die amerikanische Arzneimittelbehörde (FDA) wertete Daten aus 20 Jahren Isotretinoin-Verschreibung aus. Patienten, die Isotretinoin einnahmen, brachten sich seltener um als im amerikanischen Durchschnitt. Die Hälfte der gemeldeten Nebenwirkungen betrafen jedoch Depressionen und Suizidgedanken. Ob diese Risiken mehr mit der psychischen Belastung durch die Krankheit zu tun hatten, bleibt auch nach der Auswertung zum Teil unklar.

Isotretinoin

Der Wirkstoff gehört zu der Gruppe der Retinoide und wird zur Therapie der Akne eingesetzt. Zur topischen Anwendung wird Isotretinoin in Form von Salbe mit maximal 0,05 Prozent Wirkstoff appliziert. Zur systemischen Therapie stehen Kapseln zur Verfügung. Die Dosierung richtet sich nach dem gewicht und sollte ungefähr 0,5 mg/kg betragen. Da der Wirkstoff besonders bei systemischer Anwendung ein starkes Nebenwirkungspotential aufweist, sollte er nur in begründeten Fällen, bei denen topische Arzneimittel nicht ausreichend wirksam sind, angewandt werden.

Zu den häufigsten Nebenwirkungen bei oraler Einnahme sind: Trockene Rhinitis, trockene Mund- und Rachenschleimhaut, Haarausfall, Konjunktivitis, Kopfschmerzen, Leberinsuffizienz, Hyperglykämie (bei bestehendem Diabetes mellitus) und Störungen des Fettstoffwechsels.

Orale Retinoide und Blutspende – neuer Hinweis

Während der Therapie mit Alitretinoin oder Isotretinoin zur oralen Anwendung und bis einschließlich einen Monat nach Absetzen des Medikaments darf kein Blut gespendet werden, da bei einer schwangeren Empfängerin ein Risiko für den Fötus bestehen würde. Aus demselben Grund darf ebenfalls unter der Therapie mit Acitretin und sogar drei Jahre nach Absetzen kein Blut gespendet werden.

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