Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) sieht keine schwerwiegenden Probleme bei der Impfstoffversorgung. Apotheker Markus Kerckhoff, Inhaber der auf Impfstoffversand spezialisierten Schloss-Apotheke in Bergisch Gladbach, teilt diese Einschätzung nicht. Er sieht ein systemisches Problem und glaubt nicht, dass eine Besserung ohne Einschreiten der Politik absehbar ist.
ADHOC: Wie kann es zu Lieferengpässen bei Impfstoffen kommen?
KERCKHOFF: Die Ursachen sind vielfältig, sie sind die Folgen einer schleichenden aber vorhersehbaren Entwicklung. Die Produktion von Impfstoffen ist sehr komplex, langwierig und mit hohen Risiken verbunden. Einzelne Impfstoffe haben Herstellungszeiten von über 20 Monaten: Ein Grippeimpfstoff benötigt in der Regel sieben Monate Herstellungszeit. Dies erklärt, warum Impfstoffe nicht beliebig zur Verfügung stehen und kurzfristig „nachproduziert“ werden können, wenn die Nachfrage national, europäisch oder global steigt.
ADHOC: Warum führt das zu keiner Verbesserung der Angebotsseite?
KERCKHOFF: Es gibt immer weniger Impfstoffhersteller. Die eingetretene Monopolisierung ist der Komplexität der Herstellung, den hohen finanziellen Risiken und sinkenden Margen geschuldet. Das ist auch daran zu erkennen, dass es keine generischen Impfstoffe gibt.
ADHOC: Warum fehlen Impfstoffe in Deutschland?
KERCKHOFF: Weltweit steigt die Nachfrage – insbesondere in den aufstrebenden Industrienationen. Die Produktionsanlagen sind daher ausgelastet. Während in Deutschland die Renditen durch staatliche Eingriffe sinken, steigt die Zahlungsbereitschaft in anderen Ländern. Hersteller kalkulieren genau, welche Mengen sie in den deutschen Markt einspeisen.
ADHOC: Welche Rolle spielen die Rabattverträge?
KERCKHOFF: Die seit ein paar Jahren gelebte Praxis der Ausschreibungen ist kontraproduktiv, da unterlegene Produzenten in Deutschland keine vernünftige Planungsbasis haben.
ADHOC: Was heißt das für den Patienten?
KERCKHOFF: Für eine Industrienation ist es ein gesundheitspolitischer Offenbarungseid, wenn schon heute die Impfstoffversorgung nicht quantitativ gewährleistet ist und im Pandemiefall quasi planmäßig zusammenbricht.
ADHOC: Was muss sich ändern?
KERCKHOFF: In der jetzigen Situation ist es notwendig, dass die Politik die Rahmenbedingungen definiert und den Herstellern die notwendige Planungssicherheit gibt. Das Problem wurde erkannt und hat Eingang in die Koalitionsvereinbarung gefunden.
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