Interview Dr. Mathias Schmidt

„Damoklesschwert für Phytopräparate“

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Berlin -

2007 hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die Zulassung für Kava-Kava-Präparate widerrufen – zu Unrecht, wie das Verwaltungsgericht Köln jetzt entschieden hat. Ein Erfolg für die Hersteller, findet Dr. Mathias Schmidt. Der Inhaber des Zulassungsdienstleisters HerbResearch beschäftigt sich seit Jahren mit Kava und war als Gutachter an dem Prozess beteiligt. Seiner Meinung nach geht es in dem Verfahren um die grundsätzliche Frage, wie mit bereits zugelassenen Arzneimitteln umzugehen ist.

ADHOC: Warum lag das BfArM bei Kava-Kava falsch?
SCHMIDT: Das BfArM hat ein Signal für ein potenzielles Risiko herangezogen, um eine Nutzen-Risiko-Bewertung beginnen zu können. Bei der Prüfung ging es dann aber gar nicht mehr um mögliche Sicherheitsprobleme, sondern nur noch um die Wirksamkeit. Das hat das Gericht bemängelt. Wenn die Behörde ein Arzneimittel mit der Begründung eines Risikos hinterfragt, muss sie dieses Risiko auch nachvollziehbar dokumentieren und diskutieren.

ADHOC: Ist Kava-Kava sicher oder nicht?
SCHMIDT: Meiner Ansicht nach ja. Aber diese Frage stand nie wirklich im Vordergrund. Das BfArM argumentierte, dass die Präparate keinen Nutzen haben und deshalb nicht verkehrsfähig sind – durch diesen Schwerpunkt erübrigte sich dann auch die nähere Prüfung der Risiken.

ADHOC: Klingt schlüssig: Kein Patient will Arzneimittel ohne Nutzen...
SCHMIDT: Das Problem ist, dass das BfArM die alten Wirksamkeitsnachweise nicht akzeptierte, sondern den Nutzen im Licht der aktuellen Guidelines belegt haben wollte. Studien aus den 90er Jahren erfüllen die Standards von 2014 aber naturgemäß nicht. Folgt man dieser Logik, sind also fast alle Studien im Bereich der Phytotherapie wertlos.

ADHOC: Gab es keine aktuellen Studien?
SCHMIDT: Die Hersteller haben zwar angeboten, eine klinische Studie durchzuführen. Das BfArM wollte als Voraussetzung für deren Genehmigung aber zunächst präklinische Untersuchungen sehen, ohne dass näher spezifiziert wurde, was denn genau verlangt wurde. Im Laufe der Zeit kristallisierte sich dann heraus, dass die Firmen nach Meinung des BfArM das komplette präklinische Programm absolvieren sollten. Eine solche Betrachtung analog zu völlig neuen Wirkstoffen ignoriert das Prinzip des „Well-established Use“.

ADHOC: Worin sehen Sie die grundsätzliche Bedeutung?
SCHMIDT: Das BfArM hat auch andere Präparate auf diese Weise abgehandelt, zum Beispiel Arzneipflanzen mit Furocoumarinen oder Schöllkraut. Gewissermaßen hängt über allen älteren Phytopräparaten ein Damoklesschwert: Das kleinste Risiko kann zum Verlust der Zulassung führen, weil dieses Risiko nach der bei Kava gewählten Vorgehensweise die Produkte neuen und unbekannten chemischen Wirkstoffen gleichstellt.

ADHOC: Inwiefern hilft das Urteil den Herstellern?
SCHMIDT: Das Gericht hat entschieden, dass in einer Nutzen-Risiko-Bewertung die Wirksamkeit von etablierten Präparaten nicht wegen formaler Kriterien negiert werden darf. Weder können alten Studien retrospektiv die neuesten Standards übergestülpt werden, noch können Hersteller alle fünf Jahre neue Studien anfertigen.

ADHOC: Warum ist Ihrer Meinung nach das BfArM in Revision gegangen?
SCHMIDT: Weil die Entscheidung eine so grundsätzliche Bedeutung hat: Wenn das Risiko klar belegt werden muss, hat das Einfluss auf viele andere Zulassungsverfahren. Die meisten Ablehnungen von Zulassungs- oder Registrierungsanträgen pflanzlicher Arzneimittel werden heute mit einem potentiellen Risikos begründet. Das Problem ist, dass es immer einen Grund zum Zweifeln gibt – folgt man der Argumentation des BfArM, könnte man nichts mehr zulassen.

ADHOC: Werden Zulassungen künftig leichter?
SCHMIDT: Nein. Ich denke, das BfArM wird sorgfältiger arbeiten müssen. Die Prüfer müssen fundierter entscheiden und anders argumentieren. Das wäre positiv, denn die Diskussion würde auf wissenschaftlicher Ebene stattfinden, wo sie hingehört. Bis jetzt hat es sich das BfArM zu einfach gemacht.

ADHOC: Wird es ein Comeback für Kava-Kava geben?
SCHMIDT: Nach dem Aus in Deutschland wurde Kava-Kava auch in anderen EU-Staaten verboten. Die Regelungen werden aber unterschiedlich strikt gehandhabt. In Frankreich beispielsweise wird das Verbot zumindest im Lebensmittelbereich nicht durchgesetzt, weil Kava in den Territoires d’Outre-Mer regelmäßig konsumiert wird. In den USA war der Markt für Kava früher sehr groß, schrumpfte dann aber infolge stark erhöhter Haftpflichtversicherungsbeiträge nach Beginn des deutschen Stufenplanverfahrens. Da es in der Folge keinerlei Hinweise auf Nebenwirkungen gab, ist die Nachfrage wieder gestiegen. Ob Kava in Deutschland wieder Fuß fassen wird, ist derzeit offen. Die Hersteller, die vor Gericht gekämpft haben, dürften das Produkt jedenfalls nicht komplett abgeschrieben haben.

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