Medikamentenkapsel

Insulin-Pen zum Schlucken

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Berlin -

Insulin schlucken statt spritzen: Orale Darreichungsformen bieten die einfachste Möglichkeit der Arzneimittelapplikation. Allerdings können nicht alle Wirkstoffe den Magen-Darm-Trakt unbeschädigt passieren. Zu ihnen gehören die Insuline. Forschern ist es nun gelungen, eine Kapsel mit Mikronadeln zu entwicklen, die das Insulin selbst in die Magenwand applizieren kann. Die Studienergebnisse wurden im Fachmagazin „Science“ veröffentlicht.

Die Kapsel hat etwa die Größe einer Heidelbeere und trägt in ihrem Inneren eine kleine Nadel mit Insulin. Die Nadelspitze besteht beinahe ausschließlich aus komprimiertem gefriergetrocknetem Insulin. Der Schaft der Nadel dringt nicht in die Magenwand ein und besteht aus einem biologisch abbaubarem Material. Die Mikronadel ist innerhalb der Kapsel an einer zusammengedrückten Feder befestigt, die mit Hilfe einer Zuckerscheibe in Position gehalten wird. Wird die Kapsel geschluckt, kann die Zuckerscheibe im Magen aufgelöst werden und die Feder so auslösen, dass die Nadel in die Magenwand schießt und das Insulin appliziert. Klingt schmerzhaft, ist es aber nicht. Denn die Magenwand besitzt keine Schmerzrezeptoren.

Voraussetzung für die Applikation der Nadel in der Magenwand ist die korrekte Ausrichtung der Nadel. Die Forscher mussten also gewährleisten, dass sich die Kapsel im Magen selbst so ausrichtet, dass die Mikronadel in Kontakt mit der Magenwand steht. Hier war Inspiration gefragt. Diese bekamen die Forscher aus der Tierwelt. Bekannt für ihre Selbstausrichtung ist die in Afrika beheimatete Pantherschildkröte. Die wechselwarmen Reptilien haben einen hochgewölbten Rückenpanzer. Die Schildkröten können sich so selbst aufrichten, wenn sie auf dem Rücken liegen. Die von den Forschern verwendete Kapsel in der Gelatinehülle hat die Form der steilen, hohen Kuppel des Schildkrötenpanzers und erlaubt eine Orientierung im Magen und somit den Gewebekontakt.

„Wichtig ist, dass die Nadel bei der Injektion mit dem Gewebe in Kontakt steht“, so Studienautor Alex Abramson. „Auch wenn sich die Person bewegt oder der Magen knurrt, soll sich die Kapsel nicht von ihrer bevorzugten Ausrichtung entfernen.“

Wurde die Nadelspitze in die Magenwand katapultiert, löst sich das Insulin auf. Die Geschwindigkeit kann von den Forschern kontrolliert werden. In der Studie konnte die applizierte Insulinmenge innerhalb einer Stunde in die Blutbahn abgegeben werden. Für Diabetiker stellen die Ergebnisse eine neue Therapieoption ohne das tägliche Spritzen dar. Tierversuche konnten zeigen, dass die komprimierte Insulinmenge ausreichend ist, um den Blutzucker auf ein Niveau zu senken, dass mit der herkömmlichen Injektion vergleichbar ist. Die Untersuchungen an Schweinen zeigen, das eine Insulindosis von bis zu 300 µg über die orale Kapsel verabreicht werden kann. Vor Kurzem konnte die Insulinmenge sogar auf 5 mg erhöht werden, was mit der benötigten Dosis einen Typ-1-Diabetikers vergleichbar ist.

Was passiert mit dem Rest der Kapsel? Wurde der Inhalt freigesetzt, passieren die Bestandteile das Verdauungssystem ohne dabei dem Körper zu schaden.

Das Forscherteam hat die Innovation in Zusammenarbeit mit Novo Nordisk entwickelt. Jetzt sollen die Technologie weiterentwickelt und der Herstellungsprozess optimiert werden. Die Wissenschaftler glauben, dass das neue Applikationssystem auch für andere Arzneistoffe auf Proteinbasis Anwendung finden kann. So könnten beispielsweise Wirkstoffe zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis oder auch von entzündlichen Darmerkrankungen in Zukunft oral statt parenteral verabreicht werden. „Unsere Motivation ist es, Patienten die Einnahme von Medikamenten zu erleichtern, insbesondere von Arzneimitteln, die eine Injektion erfordern“, sagt Forscher Giovanni Traverso. „Der Klassiker ist Insulin, aber es gibt viele andere.“

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