Parkinson-Pflaster: Sprühen statt kleben Deniz Cicek-Görkem, 21.07.2017 14:25 Uhr
Parkinson-Patienten nehmen Tabletten oder Kapseln ein; alternativ stehen transdermale Pflaster zur Verfügung. Ein Unternehmen aus Berlin hat ein innovatives Sprühpflaster entwickelt, dass eine diskrete Anwendung möglich macht sowie einen höheren Wirkungsgrad erzielt.
Das Sprühpflaster Liqui-Patch vom Hersteller Epinamics kann bei verschiedenen Wirkstoffen einsetzt werden. Vorerst ist der Einsatz bei Parkinson geplant. Die Darreichungsform beruht auf einer filmbildenenden Technologie, in der die Wirkstoffe in einer wässrig-ethanolischen Lösung gelöst vorliegen. Pro Sprühstoß werden aus dem Pumpspray 50 oder 100 µl freigesetzt. „Aufgrund der eingesetzten kleinen Volumina trocknet das Alkohol-Wirkstoff-Gemisch nach Aufsprühen in 90 Sekunden“, sagt Geschäftsführer Professor Dr. Wolfgang Kehr. Nach Anwendung entstehe ein transparenter, stabiler, flexibler sowie wasserdampfdurchlässiger Film, der eine Hautatmung ermögliche.
Für die Filmbildung ist ein Polyurethan-Acrylat-Copolymer verantwortlich. Das Polymer ermöglicht eine Übersättigung der Lösung, ohne dass es zu einer Kristallisation des Arzneistoffs kommt. Wirkstoffe haben unterschiedliche chemische und physikalische Eigenschaften, daher wird die Basisformulierung entsprechend adaptiert. Die Verträglichkeit wurde in einer placebo-kontrollierten Studie, bei der 20 Probanden vier Wochen lang das Spray an der gleichen Stelle verwendeten, nachgewiesen. „Um eine gute Hautverträglichkeit zu erreichen, müssen mindestens 10 Prozent Wasser verwendet werden“, ergänzt Kehr.
Die Wirkstofflösung sollte – wie die gängigen wirkstoffhaltigen Pflaster – auf eine trockene, intakte Haut aufgebracht werden. Die auf dem Markt befindlichen transdermalen Pflaster mit Rotigutin bei der Indikation Parkinson werden einmal täglich aufgeklebt und wirken über 24 Stunden, beispielsweise Leganto (Bayer) sowie Neupro (UCB). Kehr empfiehlt bei seiner Darreichungsform, die bereits in neun Ländern sowie in Europa und in den USA patentiert ist, auch eine einmal tägliche Applikation. Eine Anwendung nach dem Duschen sei empfehlenswert, da sich der Film bei Kontakt mit Seife und warmen Wasser auflöse.
Die Arbeitsgruppe um Kehr untersuchte außerdem die Blutkonzentrationen von Probanden nach der Anwendung eines wirkstoffhaltigen Sprühpflasters. Eingesetzt wurden unter anderem Substanzen wie Testosteron, Hydrocortison und Rotigotin. Dabei wurden minimale Volumina auf kleine Hautareale aufgesprüht und die Wirkstoffkonzentration im Blut quantitativ ausgewertet. „Im Rahmen unserer Untersuchungen an zwei Patienten haben die Blutproben vergleichbare Werte ergeben“, sagt Kehr.
Die Höhe der Blutspiegel sei unter der Anwendung von Liqui-Patch sogar höher gewesen. Für die gute Wirkstoffpenetration sei vor allem die Schichtdicke ein Grund, denn diese liege unter 1 µm. „Je geringer die Schichtdicke, desto besser die Penetration.“ Weiterhin sei es von Bedeutung, dass es auf verschiedenen Hautarealen eine unterschiedliche Wirkstoffpenetration gebe. Daher werden für jeden Wirkstoff verschiedenen Flächen getestet, um den idealen Applikationsort für eine optimale Penetration herauszufinden.
Derzeit werden Investoren für zwei größere klinische Studien gesucht. Zum einen sollen die Kinetiken von Rotigotin-haltigem Liqui-Patch mit dem Fertigarzneimittel Neupro in einer randomisierten Cross-over-Studie verglichen werden. Außerdem ist eine Bioäquvalenz-Studie geplant. „Da wir mit zugelassenen Arzneistoffen arbeiten, können die bereits vorhandenen Daten als Referenz genommen werden. Folglich ist die Zeit bis zur Entwicklung und Marktzulassung verkürzt“, sagt Kehr.
Neupro enthält Natriummetabisulfit, was zu Hautirritationen und allergischen Reaktionen führen kann. Der Vorteil des neuen Sprühpflaster liege insbesondere in der besseren Hautverträglichkeit, was zu einer erhöhten Compliance führe.
Weiterhin seien bis zu fünffach höhere Wirkungsgrade dokumentiert, die eine Ressourcenschonung und damit eine geringere Umweltbelastung mit sich bringen würden. „Der Liqui-Patch ist über zahlreiche Applikationen und Wirkstoffklassen einsetzbar und eignet sich sogar zur Selbstmedikation”, so Kehr.